Von A über Kündigung bis Z.
Nachfolgend finden Sie eine Liste mit Stichworten.
Dahinter stehen Fragen, die mir als Fachanwalt für Arbeitsrecht öfters gestellt werden.
Ich stelle regelmäßig neue Stichworte ein. Falls Sie über Neues automatisch informiert werden wollen, schreiben Sie mir bitte unverbindlich eine E-Mail an reineke@bmrm.de.
Falls Ihnen ein Stichwort fehlt, teilen Sie mir auch dies gerne mit. Konkrete Fälle werde ich auf diesem Wege jedoch nicht beantworten können. Die Texte können und sollen eine Beratung oder Vertretung im Einzelfall nicht ersetzen. Sie können Ihnen jedoch einen ersten und unverbindlichen Einstieg in arbeitsrechtliche Begriffe ermöglichen.
Abkürzungsverzeichnis:
AGG = Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, ArbG = Arbeitsgericht, ArbGG = Arbeitsgerichtsgesetz, AÜG = Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, BAG = Bundesarbeitsgericht, BBiG = Berufsbildungsgesetz, BetrVG = Betriebsverfassungsgesetz, BGB = Bürgerliches Gesetzbuch, BRAO = Bundesrechtsanwaltsordnung, BurlG = Bundesurlaubsgesetz, GewO = Gewerbeordnung, KSchG = Kündigungsschutzgesetz, LAG = Landesarbeitsgericht, TzBfG = Teilzeit- und Befristungsgesetz, SGB = Sozialgesetzbuch
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Abfindung: Wann gibt es einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung?
Von einem „Anspruch“ sprechen Juristen, wenn es für eine Forderung eine rechtliche Grundlage gibt, (vgl. § 194 BGB). Anspruchsgrundlagen für eine Abfindung können sich z.B. ergeben aus: Gesetz, Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung.
Entgegen einer weit verbreiteten Meinung besteht in den meisten Fällen – zunächst – kein Anspruch auf die Zahlung einer Abfindung. Oft wird jedoch eine entsprechende Zahlung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart. Eine gesetzliche Erwähnung findet die Abfindung z.B. bei einer Kündigung nach § 1 a KSchG. Darunter versteht man eine betriebsbedingte Kündigung, bei der der Arbeitgeber in dem Kündigungsschreiben anbietet, eine Abfindung von einem halben Monatsverdienst für jedes Jahr der Beschäftigung zu bezahlen, wenn die Kündigung seitens des Arbeitnehmers nicht durch eine Kündigungsschutzklage angegriffen wird.
Die Höhe der Abfindung ergibt sich aus der Anspruchsgrundlage bzw. wird verhandelt. Rechtlich gibt es keine „Regelabfindung“ z.B. in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalts pro Beschäftigtenjahr. Bei den entsprechenden Verhandlungen ist es für beide Seiten (Arbeitnehmer und Arbeitgeber) von großer Bedeutung, die Sach- und Rechtslage genau einschätzen zu können. Dabei hilft sinnvollerweise ein Fachanwalt für Arbeitsrecht.
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Abmahnung: Gehen jeder Kündigung drei Abmahnungen voraus?
Nein, dies ist auch gesetzlich nicht vorgesehen. Im Gegenteil. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen zahlreich abgemahnt, muss er unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die letzte Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung besonders eindringlich gestalten, damit der Arbeitnehmer die in der Abmahnung enthaltene Drohung noch ernst nehmen kann (so entschieden vom LAG Köln, Urteil vom 12.03.2013 - 11 Sa 919/12).
Grundsätzlich muss jedoch jede verhaltensbedingte Kündigung verhältnisnismäßig sein. Dies bedeutet: Sind mildere Mittel vorhanden, müssen in der Regel zunächst diese gewählt werden. Es entspricht ständiger Rechtsprechung – und ist nunmehr für viele Vertragsbeziehungen auch gesetzlich in § 314 Abs. II BGB geregelt -, dass zunächst eine Abmahnung auszusprechen ist. Dies gilt – auch dies ist nicht immer bekannt – grundsätzlich auch für fristlose Kündigungen seitens des Arbeitnehmers. So hat das ArbG Berlin (Teilurteil vom 04.01.2013 - 28 Ca 16836/12, 28 Ca 19455/12, 28 Ca 19455/12) festgestellt, dass auch die Wirksamkeit einer fristlosen Eigenkündigung des Arbeitnehmers aus wichtigem Grund (§ 626 Abs. 1 BGB) wegen Vertragsverletzung des Arbeitgebers in aller Regel dessen vorherige vergebliche Abmahnung voraussetzt (s. § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Folgen einer unterbliebenen Abmahnung sind jedoch für die Kündigung seitens des Arbeitgebers in der Regel deutlich größer.
Grundsätzlich muss eine wirksame Abmahnung 3 Elemente enthalten:
1. muss die Pflichtverletzung konkret beschrieben werden, die Anlass für die Abmahnung ist. 2. muss die Abmahnung die Aufforderung gegenüber dem Abgemahnten enthalten, sich zukünftig vertragsgerecht zu verhalten, d.h. das abgemahnte Verhalten zu unterlassen und 3. die Androhung, dass anderenfalls eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses droht.
Rechtlich besteht keine Verpflichtung, gegen eine ausgesprochene Abmahnung vorzugehen. Es kann auch unter taktischen Gesichtspunkten sinnvoll sein, den Abmahnenden nur anzuschreiben, d.h. keine Klage zu erheben. Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer ein auch arbeitsgerichtlich durchsetzbares Recht auf Entfernung einer ungerechtfertigten Abmahnung aus seiner Personalakte. Eine zu Recht erteilte Abmahnung ist laut BAG (Urteil vom 19.07.2012 - 2 AZR 782/11) nur dann aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie ihre Warnfunktion verloren und der Arbeitgeber darüber hinaus kein berechtigtes anderweitiges Interesse mehr an der Dokumentation der gerügten Pflichtverletzung hat.
Laut einer Entscheidung des ArbG Trier (Urteil vom 15.08.2013 - 3 Ca 403/13) muss auch ein Auszubildender vor seiner Eigenkündigung abmahnen. Das ArbG Trier hat dazu festgestellt: "Auch ein Auszubildender muss vor dem Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Eigenkündigung wegen Vergütungsverzugs des Ausbilders diesen grundsätzlich vorher abmahnen. Der Warnfunktion einer solchen Abmahnung genügt es nicht, wenn der Auszubildende für den Wiederholungs-/Fortsetzungsfall der Pflichtverletzung lediglich mit der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts droht."
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Altersdiskriminierung: Darf ich wegen meines Alters diskriminiert werden?
Natürlich nicht!
§ 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sieht vor, dass Benachteiligungen u.a. wegen des Alters verhindert bzw. beseitigt werden sollen.
Für den Fall der unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters sehen § 8 AGG und 10 AGG jedoch bestimmte Ausnahmen vor, bei deren Vorliegen dann jedoch nicht (mehr) von einer vom Gesetz verbotenen Diskrimierung gesprochen werden kann. Einzelheiten waren und sind insoweit immer wieder Gegenstand von arbeitsgerichtlichen Entscheidungen. Auffällig ist insoweit auch, dass immer wieder europäische Vorgaben und darauf beruhende Gerichtsentscheidungen zu einem Wechsel auch in der nationalen Rechtsprechung führen.
Das BAG hatte sich in seinem Urteil vom 15.02.2012 (7 AZR 946/07) mit der auch durch die Tagespresse gegangenen Frage zu befassen, ob eine tarifliche Altersgrenze für Flugzeugführer (die mit dem Ende des Monats der Vollendung des 60. Lebensjahres eintrat) gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstoße. Diese wurde vom BAG bejaht mit der Folge, dass diese Altersgrenze jedenfalls unangewendet zu lassen war.
Dazu hat das BAG u.a. ausgeführt, dass das in einer tariflichen Altersgrenze enthaltene Verbot, mit dem Ende des Monats, in dem das 60. Lebensjahr vollendet wird, ein Flugzeug zu führen, nicht gerechtfertigt sei. Die Altersgrenze begründe wegen der Möglichkeit eines doppelt besetzten (Co-)Pilotencockpits eine unangemessene Anforderung. Sie sei auch nicht erforderlich, um das Ziel der Flugsicherheit zu erreichen. -
Arbeitnehmer/in: Bin ich´s oder bin ich´s nicht und wenn ja, bei wem?
ist eine Frage, von deren Beantwortung u.a. abhängt, ob Sozialversicherungspflicht und/oder Kündigungsschutz nach dem KSchG besteht.
Sehr oft wird – manchmal auch von allen Vertragspartnern – verkannt, dass es sich entgegen der schriftlichen Vereinbarung nicht um einen „Werkvertrag“ handelt, sondern ein sog. Scheinwerkvertrag vorliegt. Mit einer typischen Konstellation hat sich das LAG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 01.08.2013 (Az.: 2 Sa 6/13) befasst.
Der Kläger hatte mit einem IT-Systemhaus einen Vertrag als „freier Mitarbeiter“ und war jahrelang ausschließlich für einen bestimmten Kunden des Systemhauses tätig. Er betreute bei diesem Kunden die EDV und war für die Funktionsfähigkeit der Computerarbeitsplätze zuständig.
Der Kläger hat vor dem LAG mit Erfolg geltend gemacht, dass er Arbeitnehmer des Kunden geworden sei, da er in dessen Betrieb eingegliedert und deren Weisungen unterworfen gewesen sei.
Das LAG hat darauf abgestellt, dass es bei der rechtlichen Unterscheidung zwischen Werk-/Dienstvertrag und Arbeitnehmerüberlassung vor allem darauf ankomme, ob der Arbeitnehmer in den Betrieb des Dritten (hier des Kunden) eingegliedert war und vom Dritten ( = Kunden) arbeitsvertragliche Weisungen erhalten habe. Dabei komme es nicht auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem vermeintlichen Werkunternehmer und dem Dritten an, wenn die Vertragsverhältnisse tatsächlich so nicht gelebt worden seien.
Es kann daher Sinn machen, die Frage ob man „wirklich“ Freier Mitarbeiter ist oder mit wem ein Arbeitsverhältnis entstanden sein könnte, durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht überprüfen zu lassen. -
Arbeitsunfähigkeit (Krankheit): Was ist bei einer Erkrankung zu beachten?
Grundsätzlich sind zwei Dinge zu unterscheiden. Erstens muss man sich unverzüglich beim Arbeitgeber krank melden, z.B. telefonisch. Zweitens ist spätestens ab dem 3. Tag eine sog. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung („gelber Zettel“) einzureichen. Nach dem Gesetz ist der Arbeitgeber berechtigt, bereits ab dem 1. Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu verlangen. Das BAG hat dazu mit Urteil vom 14.11.2012 (5 AZR 886/11) entschieden, dass die Anordnung des Arbeitgebers zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung bereits ab dem ersten Tag weder billigem Ermessen entsprechen muss noch einer sonstigen Begründung bedarf. Welche praktischen Folgen dies haben kann, wird kontrovers diskutiert. Weiter ist zu beachten, dass ein ggf. vorhandener Betriebsrat gemäß § 87 Abs. I S. 1 BetrVG ein zwingendes Mitbestimmungsrecht hat bei der generellen Anordnung der Vorlage einer AU-Bescheinigung ab dem ersten Tag (so zB entschieden vom LAG Köln, Beschluss vom 21.08.2013 - Az.: 11 TA 87/13).
Mit einer Sonderfrage aus dem Bereich der Arbeitsunfähigkeit hatte sich vor kurzem das Hessische LAG zu befassen. Es ging um die Frage, ob der Arbeitgeber auch bei einer mutwilligen Selbstverletzung Entgelt fortzuzahlen hat. Das LAG hat dazu festgestellt, dass der Verschuldensbegriff im Entgeltfortzahlungsrecht nicht dem allgemeinen zivilrechtlichen Verschuldensbegriff entspräche, der auch mittlere und leichte Fahrlässigkeit umfasse, sondern ein besonders leichtfertiges, grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten gegen sich selbst voraussetze (Urteil vom 23.07.2013, Az.: 4 Sa 617/13; in diesem Sinne auch LAG Köln, Urteil vom 19.04.2013, Az.: 7 Sa 1204/11). Im entschiedenen Fall hatte sich ein Arbeitnehmer nach einem Wutanfall während der Arbeit die Hand gebrochen. Der Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlung, da der Arbeitnehmer an seiner Verletzung selbst schuld gewesen sei. Das LAG bejahte nur mittlere Fahrlässigkeit, da nicht ersichtlich sei, dass der Arbeitnehmer die Verletzung bewusst herbeiführen wollte. Das konkrete Verhalten sei zwar nicht zu billigen, aber menschlich nachvollziehbar. Gegen eine grobe Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers spreche, dass er sich offensichtlich in einem heftigen Wut- und Erregungszustand befunden habe und sich dementsprechend kurzzeitig nicht unter Kontrolle hatte.
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Aufhebungsvereinbarung: Soll ich oder soll ich nicht?
Oder: Drum prüfe (etwaige Nachteile gegenüber der Arbeitsagentur), wer sich auf Dauer trennt!
Relativ häufig wünschen Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer eine Aufhebungsvereinbarung unterschreibt. Mündliche Aufhebungsvereinbarungen sind bereits formunwirksam.
Bevor ein Arbeitnehmer eine entsprechende Aufhebungsvereinbarung unterschreibt, sollte er sich genaue Gedanken darüber machen, welche sozialversicherungsrechtlichen Folgen dies haben kann.
Gemäß § 159 SGB III droht eine Sperre des Arbeitslosengeldes, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Die – in der Regel zwölfwöchige – Sperre bedeutet dann, dass der Arbeitslose kein Geld von der Arbeitsagentur erhält.
Grundsätzlich setzt ein „lösen“ eine aktive Tätigkeit des Arbeitslosen voraus. Dies ist bei dem Unterschreiben einer Aufhebungsvereinbarung immer der Fall. Schwierig kann es auch dann werden, wenn sich der Arbeitnehmer nicht gegen eine offensichtlich unwirksame Kündigung (z.B. weil Sonderkündigungsschutz während der Elternzeit oder wegen einer Schwerbehinderung besteht) wehrt.
Klagt der Arbeitnehmer demgegenüber gegen seine Kündigung und wird in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren ein Vergleich geschlossen, soll dies keine Sperre auslösen (vgl. die Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit - aktuelle Fassung 09/2012 -, Anmerkung zu § 159 Punkt 19). Wichtig ist allerdings auch dann immer, dass die Kündigungsfristen eingehalten, d.h. nicht verkürzt werden.
Das Bundessozialgericht hatte bereits mit Urteil vom 17.10.2007 (Az.: B 11a AL 51/06) festgestellt, dass unabhängig von der vereinbarten Abfindungshöhe eine Sperrzeit nicht eintritt, wenn das Ende eines Arbeitsverhältnisses in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbart wird. Auch wenn das Bundessozialgericht in dieser Entscheidung, die zeitlich noch vor der aktuellen Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit erging, noch davon auszugehen schien, dass ein arbeitsgerichtlicher Vergleich ein „lösen“ im oben genannten Sinne darstellen würde, hat auch das BSG jedenfalls angenommen, dass aufgrund des arbeitsgerichtlichen Vergleiches jedenfalls aber ein wichtiger Grund dafür vorliegen würde.
Manchmal wird von Arbeitgebern behauptet, dass durch bestimmte Formulierungen in der Aufhebungsvereinbarung eine Sperre durch die Arbeits-Agentur vermieden werden könne. Es heißt dann in diesen Aufhebungsvereinbarungen typischerweise, dass die Aufhebung zur Vermeidung einer ansonsten aus dringenden betrieblichen Gründen notwendigen Kündigung geschlossen wurde. In der Regel dürfte dies nicht ausreichen, um mit Sicherheit die Verhängung einer Sperre zu verhindern. Eine gute Kontrollfrage in diesem Zusammenhang ist, ob der Arbeitgeber bereit wäre, etwaige Nachteile gegenüber der Arbeitsagentur aufgrund der zu treffenden Aufhebungsvereinbarung zu übernehmen.
Zu beachten ist, dass schlimmstenfalls nicht nur eine Sperre, sondern auch noch ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs droht. § 158 SGB III besagt, dass bei einer verkürzten Kündigungsfrist eine etwaig bezahlte Abfindung auf die verkürzte Zeit verrechnet wird. Dies ist immer dann zu befürchten, wenn die maßgeblichen Kündigungsfristen nicht eingehalten werden.
Im einzelnen stellen sich bei einer Aufhebungsvereinbarung auch arbeitsrechtliche Fragen.
Oft kommt eine Aufhebungsvereinbarung auf Druck des Arbeitgebers zu Stande, zum Beispiel im Zusammenhang mit vertrags- oder strafrechtlich relevanten Fehlverhalten des Arbeitnehmers.
Dazu hat zum Beispiel das LAG Hamm in seinem Urteil vom 25.10.2013 (Aktenzeichen 10 Sa 99/13) festgestellt, dass die Drohung mit einer Strafanzeige zum Zwecke des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages auch dann rechtmäßig sein könne, wenn die anzuzeigende Straftat nicht gegen Rechtsgüter des Arbeitgebers gerichtet war, aber in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsergebnis stehe. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn ein verständiger Arbeitgeber zugleich eine den Regelung des Aufhebungsvertrages entsprechende Kündigung ernsthaft in Betracht ziehen durfte. Darüber, ob diese Voraussetzungen wirklich vorliegen, wird immer wieder gestritten. Bedenklich ist es, wenn der Arbeitnehmer versucht wird, zu überrumpeln, insbesondere keine Bedenkzeit erhält.
Gleichzeitig enthalten viele Aufhebungsvereinbarungen auch so genannte Ausgleichsquittungen („alle Ansprüche zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind unabhängig von ihrem Rechtsgrund mit der Erfüllung dieser Vereinbarung erledigt“) . Nach wohl herrschender Meinung sind derartige Ausgleichsquittungen kontrollfähige Nebenabreden und daher unwirksam, da unangemessen benachteiligend, wenn sie nur Ansprüche des Arbeitnehmers erfassen und keine Gegenleistung des Arbeitgebers erfolgt.
Auch das BAG hatte den formularmäßigen Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ohne Gegenleistung als unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. I S. 1 BGB bewertet. In einer Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 13.04.2005 (12 Sa 154/05) hatte das Gericht zusätzlich darauf hingewiesen, dass eine Ausgleichsquittung auch eine überraschende Klausel nach § 305 c Abs. II BGB darstellen kann, wenn das Erscheinungsbild völlig ungewöhnlich ist. Nach Ansicht des LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 24.09.2013, Az.: 1 Sa 61/13) stellt ein beiderseitige Anspruchsverzicht keine kompensatorische Gegenleistung da, dass sich dabei um einen eher theoretischen Verzicht seitens des Arbeitgebers handelt.
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Ausschlussfristen: Was sie bedeuten und warum sie zu beachten sind?
Man unterscheidet einstufige und zweistufige Ausschlussfristen. Die erste Stufe erfordert in der Regel die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs; die zweite Stufe ist im Falle der Ablehnung bzw. Nichtantwort dann die gerichtliche Geltendmachung. Werden wirksame Ausschlussfristen verpasst, kann bereits aus diesem Grunde eine bestehende Forderung nicht mehr durchgesetzt werden. Ausschlussfristen findet man regelmäßig in Arbeitsverträgen und in Tarifverträgen.
Vertraglich vereinbarte Ausschlussfristen können unwirksam sein, z.B. wenn sie zu kurz sind. So verlangt das BAG, dass einzelvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen für jede Stufe mindestens 3 Monate lang sein müssen. Das BAG hat im Übrigen in seinem Urteil vom 19.02.2014 (Az.: 5 AZR 700/12) eine Ausschlussfrist, die sowohl auf die "Entstehung", als auch an die "Fälligkeit" anknüpfte, für intransparent i.S.d. § 307 Abs. I S. 2 BGB gehalten.
Das BAG hat mit Urteil vom 20.06.2013 (Az.: 8 AZR 280/12) weiter festgestellt, dass anders „als bei einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist … die Parteien eines Arbeitsvertrages weder die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtern … noch die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner im Voraus erlassen (können).“ Bei dieser klaren Gesetzeslage sei ohne besondere Anzeichen regelmäßig davon auszugehen, dass die Parteien des Arbeitsvertrages mit der Ausschlussklausel nicht auch Fragen der Vorsatzhaftung regeln wollten. Im Übrigen wäre auch bei anderem Auslegungsergebnis eine solche arbeitsvertragliche Klausel, anders als eine tarifvertragliche Regelung, unwirksam.
In einer neueren Entscheidung des BAG (Urteil vom 10.12.2013, Az.: 9 AZR 494/12) hat das BAG im Zusammenhang mit der Urlaubsabgeltung festgestellt, dass spätestens nach Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des LAG Düsseldorf in der Sache Schultz-Hoff vom 2. August 2006 (Az.: 12 Sa 486/06) Arbeitnehmer nicht mehr darauf vertrauen konnten, dass das BAG an seiner unter dem Regime der Surrogatstheorie entwickelten Rechtsprechung festhalten werde, der zufolge der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung nicht tariflichen Ausschlussfristen unterfiel.
Etwaige Ansprüche sollten daher immer rechtzeitig geltend gemacht werden und ggf. durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht geprüft werden, ob - wirksame - Ausschlußfristen vorliegen. Dies gilt umso mehr, als dass es in der letzten Zeit einige Entscheidungen auch das BAG gab, die sich mit diesem Thema befasst haben (siehe Aktuelles). Weiter ist jedenfalls für Arbeitsverträge, die mit Wirkung ab dem 01. Oktober 2016 geschlossen wurden, eine gesetzliche Neuregelung in § 309 Nr. 13 BGB zu beachten. Danach ist das Festschreiben einer schriftlichen Geltendmachung in einem Arbeitsvertrag unwirksam. Es darf nur die Textform (126 b BGB) vorgesehen sein.
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Ausschweifende private Internetnutzung: Während der Arbeitszeit kündigungsrelevant?!
Das LAG Schleswig-Holstein hatte sich vor kurzem mit der Frage zu befassen, ob einem Arbeitnehmer auch nach 21 Jahren Betriebszugehörigkeit und ohne Abmahnung gekündigt werden kann, wenn dieser während der Arbeitszeit „ausschweifend“ das Internet privat nutzt.
Im Ergebnis hielt das LAG die Kündigung angesichts 17.429 gefundener Dateien (einschließlich umfangreicher Downloads von Filmen und Musik) und der durch die private Nutzung verursachte Beeinträchtigung für gerechtfertigt (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.05.2014 - 1 Sa 421/13). Ausdrückliche Regelungen über die private Internetnutzung gab es im Betrieb der Beklagten nicht.
Grundsätzlich berührt die private Internetnutzung durch den Arbeitnehmer bei der Arbeit gleich mehrere Bereiche und kommt es oft entscheidend darauf an, ob der Arbeitgeber die private Internetnutzung ausdrücklich verboten oder ausdrücklich erlaubt hat. In der Praxis gibt es nach wie vor oft keine klaren Regelungen und eine stillschweigende Duldung zumindest einer bestimmten Nutzung.
Das BAG hat bereits in einem Urteil vom 27.04.2006 (Az.: 2 AZR 386/05) festgestellt, dass ein Arbeitnehmer ganz erheblich gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoße, wenn er ein ausdrückliches und fortlaufend wiederholtes Verbot des Arbeitgebers missachte, das Internet privat zu nutzen und innerhalb von mehr als zwei Monaten fast täglich, insgesamt in erheblichem Umfang privat im Internet surfe. Ein solch hartnäckiger und uneinsichtiger Verstoß gegen die Weisung des Arbeitgebers, nicht während der Arbeitszeit mit den Arbeitsmitteln private Dinge zu treiben, rechtfertigte regelmäßig auch eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung.
Nach der Rechtsprechung des BAG kommt als kündigungsrelevante Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten bei einer privaten Nutzung des Internets ua. in Betracht:
das Herunterladen einer erheblichen Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme (“unbefugter download”), insbesondere wenn damit einerseits die Gefahr möglicher Vireninfizierungen oder anderer Störungen des - betrieblichen - Betriebssystems verbunden sein können oder andererseits von solchen Daten, bei deren Rückverfolgung es zu möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers kommen kann, beispielsweise weil strafbare oder pornografische Darstellungen heruntergeladen werden; die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internetanschlusses als solche, weil durch sie dem Arbeitgeber möglicherweise - zusätzliche - Kosten entstehen können und der Arbeitnehmer jedenfalls die Betriebsmittel - unberechtigterweise - in Anspruch genommen hat (dieser Aspekt dürfte sich zwischenzeitlich deutlich relativiert haben, da Zusatzkosten im Zeitalter von Flatrates i.d.R. nicht entstehen); die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internets während der Arbeitszeit, weil der Arbeitnehmer während des Surfens im Internet zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt und dadurch seine Arbeitspflicht verletzt.
Ist die private Nutzung ausdrücklich verboten, rechtfertigt ein Verstoß dagegen in der Regel die außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung.
Anders hat das BAG dies allerdings in einem Fall gesehen, in dem der Arbeitnehmer keine festen Arbeitszeiten hatte, die durch das Internetsurfen „ausgefallene“ Arbeitszeit daher abends und am Wochenende nachholen konnte und nachgeholt hat, und er davon ausgehen durfte, dass der Arbeitgeber die private Internetnutzung trotz des Verbots nicht zum Anlass für eine Kündigung nehmen würde. Hier sollen weder außerordentliche noch ordentliche Kündigung zulässig sein, eine Abmahnung genüge (BAG 2 AZR 186/11).
Hat der Arbeitgeber keine Regelung zur privaten Nutzung des Internets getroffen, wird vertreten, dass der Arbeitnehmer sie für zulässig halten darf, solange seine Arbeitsleistung darunter nicht leidet.
Gestattet der Arbeitgeber das private Surfen in gewissem Umfang ausdrücklich oder duldet er es über einen längeren Zeitraum und gestattet es damit konkludent, setzt eine Kündigung nach einer Entscheidung des ArbG Wesel vom 21.03.2001 (Az.: 5 Ca 4021/00) voraus, dass der Arbeitnehmer dieses Maß so erheblich überschreitet, dass aus seiner Sicht ein Einverständnis des Arbeitgebers schlechthin auszuschließen war. Die Kündigung wird dann in aller Regel auch der vorherigen Abmahnung bedürfen.
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Azubi, Lehrling, Stift: Starke Schutzrechte?
Ganz eindeutig: Ja!
Für Auszubildende gelten auch in sogenannten Kleinbetrieben viele Schutzvorschriften. Ausgangspunkt ist das BBiG. Dort ist unter anderem geregelt, dass die wesentlichen Inhalte des Ausbildungsvertrages schriftlich niederzulegen sind. Nach einer Probezeit, die mindestens einen Monat und höchstens vier Monate betragen darf, kann das Ausbildungsverhältnis nur noch aus einem wichtigen Grund von dem Ausbilder gekündigt werden. Es müssen dafür Gründe für eine fristlose Kündigung vorliegen. Dabei besagt das BBiG, dass die Kündigung schriftlich und unter Angabe der konkreten Kündigungsgründe erfolgen muss. Bei einem etwaigen Verfahren kann sich der Ausbilder nur auf die Gründe berufen, die in dem Kündigungsschreiben genannt wurden. Dies wird ganz regelmäßig von den Ausbildungsbetrieben missachtet, ebenso wie die einzuhaltende Zweiwochenfrist zwischen Kennen der Kündigungsgründe und Zugang der Kündigung. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung bei Kündigungen gegenüber Auszubildenden sehr hohe Anforderungen an die Kündigungsgründe stellt. Für viele Ausbildungsverhältnisse bestehen so genannte Schlichtungsausschüsse bei den zuständigen Kammer (z.B. Handels- oder Handwerkskammern), die dann – nach meinem Rat gleichzeitig – mit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage eingeschaltet werden sollten. Auch wenn es für diese Schlichtungsverfahren keine staatliche Hilfe für die Beauftragung eines Rechtsanwaltes gibt, dürfte in der Regel jedoch für das parallele bzw. nachfolgende Kündigungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe zu gewähren sein.
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Befristung des Arbeitsverhältnisses: Wirksam oder nicht?
Oft streiten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer darüber, ob ein Arbeitsverhältnis aufgrund einer Befristung zu einem bestimmten Datum endet. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Befristung unwirksam ist, kann er dies grundsätzlich bereits während der laufenden Befristung tun. In der Regel wird auch aus taktischen Gründen eine Befristung erst mit bzw. nach Ablauf der Befristung zur Überprüfung gestellt. Es ist dann für Arbeitnehmer ganz wichtig, die 3-Wochenfrist für die Erhebung einer entsprechenden Klage zu beachten. Spätestens 3 Wochen nach Ablauf der Befristung muss eine entsprechende Klage beim Arbeitsgericht eingereicht sein (§ 17 TzBfG).
Ob eine Befristung wirksam ist oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Ausgangspunkt der Prüfung ist das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), dort § 14.
Grundsätzlich ist eine Befristung nur dann wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart wurde (§ 14 Abs. IV TzBfG).
Weiter ist eine Befristung nur dann wirksam, wenn einer der im TzBfG genannten Umstände vorliegt. Das TzBfG unterscheidet zwischen Befristungen ohne Sachgrund (maximal für 2 Jahre möglich, grundsätzlich nur mit „neuen“ Arbeitnehmern; die 2 Jahre sind maximal aufteilbar in vier, nicht notwendig gleich lange, Abschnitte) und Befristungen mit Sachgrund.
Zulässige Sachgründe nennt das Gesetz in § 14 Abs. I Nr. 1-8 TzBfG. Hier kommt es immer wieder zu „Überraschungen“ bei der Frage, ob ein Sachgrund tatsächlich vorliegt. Ist dies nicht der Fall und stellt das ArbG fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund einer Befristung endet, besteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die Sachgrundbefristung wegen nur vorübergehendem Beschäftigungsbedarf setzt nach dem BAG voraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr besteht (vgl. z.B. Urteil des BAG vom 11.09.2013, Az.: 7 AZR 107/12).
Typischer Angriffspunkt bei einer Befristung ohne Sachgrund ist die an sich im Rahmen der 2-jährigen Maximalbefristung zulässige Verlängerung. Diese muss vereinbart sein, solange wie die vorhergehende Befristung noch nicht abgelaufen ist. Weiter wird in der Praxis sehr oft darüber gestritten, ob tatsächlich eine „Verlängerung“ vorliegt, oder aber der Neuabschluss eines – inhaltlich nämlich – geänderten Vertrages. Dazu hat das BAG in einer neueren Entscheidung vom 04.12.2013 (Az.: 7 AZR 468/12) noch einmal festgestellt, dass das Tatbestandsmerkmal der Verlängerung i.S.d. § 14 Abs. II 1 Halbs. 2 TzBfG eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages voraussetzt, dass die Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts noch vor Abschluss der Laufzeit des bisherigen Vertrages in schriftlicher Form vereinbart wird und der Vertragsinhalt ansonsten unverändert bleibt. Hier sind für den Arbeitgeber viele Stolperstellen zu beachten und liegen für den Arbeitnehmer viele Chancen bei einer Überprüfung der Wirksamkeit der Befristung.
Während einer laufenden Befristung kann das Arbeitsverhältnis nur dann ordentlich gekündigt werden, wenn dies vereinbart wurde (§ 15 Abs. III TzBfG).
Einen interessanten Streit gibt es derzeit zwischen dem BAG und einzelnen Landesarbeitsgerichen über die Frage, wann eine "Vorbeschäftigung" im Sinne des § 14 Abs. II TzBfG vorliegt. Danach kann sachgrundlos nicht befristet werden, wenn "mit dem selben Arbeitsgeber bereits zuvor" ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Das LAG Baden-Württemberg hat dazu mit Urteil vom 26.09.2013 (6 Sa 28/13) festgestellt, dass eine sachgrundlose Befristung gemäß § 14 Abs. II TzBfG auch dann unzulässig ist, wenn mehr als 3 Jahre zwischen einer vorherigen Beschäftigung und der neuen Beschäftigung beim selbem Arbeitgeber liegen. Mit dieser Entscheidung stellt sich das LAG gegen eine jüngere Entscheidung des BAG (Urteil vom 06.04.2011 - 7 AZR 716/09), wonach bei mehr als 3-järiger Unterbrechung nicht mehr von einer "Vorbeschäftigung" gesprochen werden kann, d.h. eine neue, sachgrundlose Befristung mit dem selben Arbeitgeber grundsätzlich zulässig ist. Da das LAG die Revision zugelassen hat, bleibt abzuwarten, wie das BAG nunmehr entscheiden wird.
Im Zusammenhang mit Kettenbefristungen hat das BAG die sog. "Grundsätze zur Kontrolle eines institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB" aufgestellt. Danach dürfen die Arbeitsgerichte sich bei der Befristungskontrolle nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds der Vertretung beschränken. Sie müssen zusätzlich alle Umstände des Einzelfalls prüfen und dabei namentlich die Gesamtdauer und die Zahl der mit derselben Person zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge berücksichtigen, um auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen (vgl. dazu u.a. die Urteile des BAG vom 18.07.2012, Az.: 7 AZR 783/10 und vom 22.01.2014, Az.: 7 AZR 234/12). Das LAG Baden-Württemberg hat in einem Urteil vom 17.06.2013 (Az.: 1 Sa 2/13) diese Grundsätze auch für grundsätzlich anwendbar erklärt bei der Inhaltskontrolle der Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen nach § 307 BGB.
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Betriebsübergang: § 613 a BGB, oder wer ist mein Arbeitgeber?
§ 613 a BGB befasst sich mit den Rechten und Pflichten bei einem Betriebsübergang.
Von einem Betriebsübergang spricht man, wenn als Folge eines Übergangs eines Betriebs oder Betriebsteils durch Rechtsgeschäft die Person des Betriebsinhabers wechselt und der neue Betriebsinhaber den Betrieb im Wesentlichen unverändert fortführt.
Es gibt regelmäßig Entscheidungen des BAG, die sich mit der Frage befassen, ob ein Betriebsübergang vorliegt. So hat das BAG z.B. in seinem Urteil vom 23.05.2013 (8 AZR 207/12) den Orientierungssatz aufgestellt, dass die Übernahme eines Objektschutzauftrages dann einen Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB darstellen kann, wenn der Auftraggeber verlangt, dass der neue Auftragnehmer ein auf das zu bewachende Unternehmen zugeschnittenes zentrales Alarmmanagementsystem benutzt, welches bereits das bisherige Objektschutzunternehmen eingesetzt hat und das im Eigentum des Auftraggebers steht.
Ob ein Betriebsübergang vorliegt oder nicht, ist daher in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen. Dies gilt auch deshalb, da eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs unwirksam ist, § 613 a Abs. IV BGB.
Es wird ebenfalls immer wieder darüber gestritten, was konkret die Unterichtungsverpflichtung des § 613 a Abs. V BGB beeinhaltet.
In einem neueren Urteil vom 14.11.2013 (Az.: 8 AZR 824/12) hat das BAG z.B. noch einmal betont, dass die Unterrichtung der von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung ihres Widerspruchsrechts schaffen soll. Es solle die Möglichkeit eröffnet werden, sich weitergehend zu erkundigen und ggf. beraten zu lassen. Das BAG hat in dieser Entscheidung auf zwei Punkte hingewiesen, über die u.a. informiert werden muss. Soweit bei der Unterrichtung über den Betriebserwerber auf die im Handelsregister eingetragenen Tatsachen verwiesen werden soll, müsse die Firma des Betriebserwerbers, das zuständige Handelsregister und die den Betriebserwerber betreffende Nummer des Handelsregisters fehlerfrei angegeben werden. Die Identität der Betriebserwerberin müsse sich unmittelbar durch Einsichtnahme in das Handelsregister ergeben. Soweit die Betriebserwerberin eine Neugründung sei, die nach dem Betriebsübergang nicht sozialplanpflichtig ist, so sei auch darüber in der Unterrichtung zu informieren. Diese Pflicht bestehe unabhängig davon, ob eine Betriebsänderung geplant oder in Aussicht genommen ist, da die Rechtsstellung der Arbeitnehmer als unmittelbare Folge des Betriebsübergangs verändert werde.
Erst nach einer „richtigen“ Unterrichtung beginnt die einmonatige Widerspruchsfrist des Arbeitnehmers gemäß § 613 a Abs. VI BGB zu laufen. Hier besteht nach wie vor sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber ein großer Beratungsbedarf, und zwar auch hinsichtlich des Für und Wider eines Widerspruchs.
Mit einem Sonderfall der „Verwirkung“ des Widerspruchsrechts befasst sich die bei „Aktuelles“ erwähnte Entscheidung des BAG vom 17.10.2013 (Aktenzeichen: 8 AZR 974/12). Auch das LAG Schleswig-Holstein hat sich in einer Entscheidung vom 05.12.2013 (Az.: 5 Sa 266/13) mit der Frage befasst, wann das Widerspruchsrecht verwirken kann. Dazu muss es vom Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum nicht geltend gemacht werden (Zeitmoment) und weitere Umstände (Umstandsmoment) bei dem Betriebsveräußerer ein Vertrauen darauf begründen, dass das Recht auch nicht mehr ausgeübt werde. In dem entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zwar nicht ordnungsgemäß nach § 613 a Abs. V BGB unterrichtet. Der Arbeitnehmer hatte aber mehr als sechs Jahre gewartet, bis er den Widerspruch erklärt hatte und sich in dieser Zeit mit dem Betriebserwerber über seine Eingruppierung verständigt. Das genügte dem LAG wegen des langen Zeitraums als Umstandsmoment. Dies dürfte jedoch regelmäßig die Ausnahme sein.
Liegt ein Betriebsübergang vor und hat der Arbeitnehmer nach ordnungsgemäßer Unterrichtung nicht wirksam widersprochen, geht das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten auf den neuen Arbeitgeber über, § 613 a Abs. I BGB, d.h. man erhält als Arbeitnehmer kraft Gesetzes einen „neuen“ Arbeitgeber.
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Dienstkleidung: Was darf bzw. was muss ich bei der Arbeit anziehen?
Anlässlich zwei neuerer Entscheidungen des BAG geht es nachfolgend um die Fragen, was ein Arbeitnehmer bei der Arbeit anziehen darf bzw. was nicht.
In den vom BAG entschiedenen Fällen (Entscheidungen vom 24.09. - 5 AZR 611 - und 30.09.2014 -1 AZR 1083/12 -; siehe bei Aktuelles) ging es zum einen um die Frage, ob ein männlicher Pilot – anders als seine Kolleginnen – durch eine Betriebsvereinbarung gezwungen werden kann, seine Pilotenmütze an bestimmten Stellen im Flughafen zu tragen. Dies ist im Ergebnis vom BAG mit der Begründung verneint worden, dass es eine entsprechende Verpflichtung nicht für die Pilotinnen geben würde. In dem anderen Fall ging es darum, ob eine Muslimin in einer Einrichtung der evangelischen Kirche ein Kopftuch tragen durfte. Dies wurde vom Bundesarbeitsgericht verneint mit der Begründung, dies verstoße gegen die Verpflichtung der Arbeitnehmerin zum „neutralen“ Verhalten auf der Arbeit.
Im tagtäglichen Arbeitsleben sieht man in vielen Betrieben Arbeitnehmer, die Kleidung tragen, die bzw. Teile davon auf den Arbeitgeber hinweisen (Arbeitskleidung oder Dienstkleidung). In manchen Fällen sind bestimmte Kleidungen auch arbeitsschutzrechtlich vorgeschrieben (Schutzkleidung).
In vielen Tarifverträgen und auch Betriebsvereinbarungen gibt es dazu Regelungen.
Gestritten wird auch immer wieder über die Frage, wo und auf wessen „Kosten“ (Arbeitszeit) das Umkleiden zu erfolgen hat und wer die Kosten für Reinigung etc. trägt.
Abgesehen von § 34 ArbStättVO, der den Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer die Lüftung und Trocknung sowie die Aufbewahrung seiner Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu ermöglichen, existieren auch insoweit keine gesetzlichen Regelungen.
Fehlen festgeschriebene Regelungen, unterliegt die Frage der Dienstkleidung dem Weisungsrecht des Arbeitgebers, wobei die Grenzen des § 106 GewO zu beachten sind. Entschieden wurde z.B., dass ein Unternehmen, das hochwertige Möbel herstellt, seinen Verkäufer anweisen kann, Sakko und Krawatte zu tragen.
Insgesamt dürfen Dienstkleidungsbestimmungen nicht das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletzen. Die Regelungen müssen geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich gewährten Freiheitsrechte angemessen sein, um den mit der Dienstkleidung erstrebten Zweck zu erreichen. Dies dürfte oft streitig sein.
Falls Sie zu „Ihrer“ Kleidung konkrete Fragen haben, sollten Sie sich arbeitsrechtlich beraten lassen.
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Druckkündigung: "Echte" oder "unechte" Druckkündigung?
Unter einer Druckkündigung versteht man eine Kündigung, die der Arbeitgeber auf "Druck" eines Dritten ausspricht. Klassische Beispiele sind die "Drohung" eines Kunden des Arbeitgebers mit der Beendigung der Zusammenarbeit, wenn nicht ein bestimmter Arbeitnehmer entlassen wird. Oft dürfte dieses Verlangen mit einem bestimmten "Fehlverhalten" des betreffenden Arbeitnehmers gegenüber dem Kunden zusammenhängen. Es liegt daher nahe, von verhaltensbedingten Kündigungsgründen auszugehen. Das BAG geht demgegenüber zumindest bei einer "echten Druckkündigung" davon aus, dass es sich um einen Unterfall einer betriebsbedingten Kündigung handelt. In seinem Urteil vom 18.07.2013 (Az.: 6 AZR 420/12) hat das BAG dazu folgendes festgestellt:
Eine Druckkündigung liege vor, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlange. Fehle es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung durch personen- oder verhaltensbedingte Gründe, so komme eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen gemäß § 1 Abs. II KSchG in Betracht. An die Zulässigkeit einer solchen „echten Druckkündigung“ seien allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber habe sich zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen. Nur wenn auf diese Weise die Drohung nicht abgewendet werden könne und bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber zu befürchten seien, könne die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Die Kündigung müsse das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel sein, um die Schäden abzuwenden.
Soweit das Verlangen des Dritten durch ein Verhalten des Arbeitnehmers oder einen personenbedingten Grund objektiv gerechtfertigt ist, liegt es nach dem BAG im Ermessen des Arbeitgebers, ob er eine personen- oder eine verhaltensbedingte Kündigung ausspricht. Das BAG spricht dann von einer „unechten" Druckkündigung, da die Kündigung nicht vorrangig wegen des durch den Dritten erzeugten Drucks erklärt wird, sondern wegen des personen- oder verhaltensbedingten Kündigungsgrundes.
Fehlt es hingegen an einer solchen objektiven Rechtfertigung der Drohung, so kommt handelt es sich um eine "echte" Druckkündigung, die das BAG den betriebsbedingten Gründen zuordnet.
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Eigenmächtiger Urlaubsantritt: Und dann?
Das LAG Köln hat sich in einer neueren Entscheidung (Urteil vom 28.06.2013; Az.: 4 Sa 8/13) mit den Folgen eines eigenmächtigen Urlaubsantritts befasst. Was war geschehen? Ein Arbeitnehmer war in seinen Urlaub gefahren und es gab Streit darüber, ob dieser vorab genehmigt worden war. Dabei spielte auch eine Rolle, welches Genehmigungsverfahren im Betrieb praktiziert wurde. Der Arbeitgeber kündigte wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts das Arbeitsverhältnis.
Grundsätzlich gilt, dass eine auch kündigungsrechtlich relevanten Arbeitsvertragsverletzung vorliegt, wenn ein Arbeitnehmer eigenmächtig einen nicht genehmigten Urlaub antritt. Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte kann ein solches Verhalten „an sich“ auch geeignet sein, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung (§ 626 BGB) darzustellen.
Um etwaige Risiken in diesem Zusammenhang zu vermeiden, sollte ggf. genau darüber nachgedacht werden, sofern der Arbeitgeber ohne ausreichende Gründe den beantragten Urlaub nicht gewährt, ob der Arbeitnehmer durch eine Leistungsklage oder gegebenenfalls einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung seine Urlaubsansprüche klären lässt. Nach ganz herrschender Meinung hat der Arbeitnehmer nämlich grundsätzlich kein Recht, sich selbst zu beurlauben.
Auch wenn der eigenmächtige Urlaubsantritt ein Kündigungsgrund zu einer außerordentlichen Kündigung „an sich“ darstellen kann und dies auch für die ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen gilt, so wird immer im Rahmen einer allseitigen Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu prüfen sein, ob eine außerordentliche Kündigung, eine ordentliche Kündigung oder gegebenenfalls nur eine Abmahnung gerechtfertigt ist. Dabei stellt auch das BAG darauf ab, dass eine unberechtigte Urlaubsverweigerung durch den Arbeitgeber jedenfalls bei der Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitnehmers mit zu berücksichtigen ist. Zu beachten ist weiter, dass laut BAG in einem Kündigungsschutzverfahren der Arbeitgeber die Beweislast für die Nichtgenehmigung des Urlaubs trägt.
Grundsätzlich gilt, dass die Bestimmung des Urlaubszeitpunkts nicht etwa im billigem Ermessen des Arbeitgebers i.S.v. § 315 BGB bzw. § 106 GewO liegt, sondern der Arbeitgeber verpflichtet ist, nach § 7 Abs. I BUrlG die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen und daher i.d.R. auch den Urlaub für den vom Arbeitnehmer angegebenen Termin festzusetzen hat. Der Arbeitgeber ist weiter an die einmal erteilte Freistellungserklärung dann auch gebunden.
In dem entschiedenen Fall hatte das LAG zu Gunsten des Arbeitnehmers im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt, dass der Arbeitgeber einen für die Osterferien von einem verheirateten Mann mit zwei Schulkindern gebuchten Urlaub bis unmittelbar vor den Osterferien, d. h. also fast vier Monate lang, nicht beschieden hatte. Damit verstieß der Arbeitgeber nach Ansicht des LAG gegen die ihm obliegenden allgemeinen Fürsorgepflichten und insbesondere gegen die Pflicht, seinen Betrieb so zu organisieren, dass rechtzeitig und in zumutbarer Zeit über einen Urlaubsantrag entschieden wird. Weiter wurde zu Lasten des Arbeitgebers auch berücksichtigt, dass er ein verwirrendes und die Arbeitnehmer in ihrer Rechtssicherheit benachteiligendes System der Urlaubsbewilligung geschaffen hatte.
Im Ergebnis konnte das LAG daher festhalten, dass ein eigenmächtiger Urlaubsantritt nicht automatisch das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes bedeutet, sondern es immer einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls bedarf. Im konkreten Fall ging diese Abwägung zu Gunsten des Arbeitnehmers aus.
Bei der Frage, wie man auf einen nicht genehmigten Urlaub reagieren sollte, ist man daher gut beraten, die Sach- und Rechtslage detailliert prüfen zu lassen.
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Gebühren: Was kostet die Einschaltung eines Rechtsanwalts?
Fragen Sie dazu Ihren Rechtsanwalt, insbesondere wenn er selbst dieses Thema nicht ansprechen sollte!
Jeder Rechtsanwalt muss gemäß § 49 b BRAO vor Übernahme des Auftrages darauf hinweisen, wenn sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten. Dies ist regelmäßig bei der außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretung im Arbeitsrecht der Fall.
Für eine Beratung soll der Rechtsanwalt auf eine Vereinbarung hinwirken. Wird nichts vereinbart, greift bei der Erstberatung bzw. Beratung von Verbrauchern eine gesetzliche Deckelung auf € 250,-- bzw. 190,-- (jeweils zzgl. MwSt. und ggf. Auslagen).
Weitere Hinweise zu meinen Kosten finden Sie hier.
Folgende Besonderheit gilt im Arbeitsrecht: Gemäß § 12 a ArbGG zahlt jede Partei eines arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits ihre Kosten für die erste Instanz selbst, und zwar unabhängig davon, wer gewinnt. Dies gilt nach der Rechtsprechung auch für die außergerichtlichen Kosten. Dies bedeutet: Auch wenn Sie „Recht“ haben, müssen Sie oder Ihre Rechtsschutzversicherung den beauftragten Rechtsanwalt bezahlen.
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Generalquittung: Nicht ungefährlich, auch wenn oft unwirksam?!
Mit einer Generalquittung, auch Ausgleichsquittung genannt, will in der Regel der Arbeitgeber sicherstellen, dass er keine – weiteren – Ansprüche seitens des Arbeitnehmers zu befürchten hat. Manchmal kann aber auch ein Arbeitnehmer ein Interesse an einer Generalquittung haben.
Generalquittungen werden manchmal wie folgt formuliert: „Alle Ansprüche zwischen den Parteien gleich aus welchem Rechtsgrund sind mit der Erfüllung dieses Vergleiches/dieser Vereinbarung erledigt“.
Bevor man eine entsprechende Erklärung abgibt bzw. eine entsprechende Vereinbarung unterschreibt, sollte man sich immer genau überlegen, ob tatsächlich alle Forderungen erledigt sind. Auch wenn aus rechtlichen Gründen einzelne Ansprüche unabdingbar sind, d.h. grundsätzlich auch von einer Generalquittung nicht erfasst werden, kann nur angeraten werden, alle offenen Forderungen im Vorwege abzuklären und auch ausdrücklich zu regeln. Eine gute Kontrollfrage für einen selbst kann sein: „Wer hat welches Interesse an einer Generalquittung“. Ggf. kann es sich anbieten, nur einzelne Punkte klar zu regeln und diese für erledigt zu erklären.
Sofern nachher darüber gestritten wird, ob eine bestimmte Forderung von der Generalquittung erfasst ist, bleibt im Einzelfall aber immer noch zu prüfen, ob die Generalquittung überhaupt wirksam ist.
Dazu hat zum Beispiel das LAG Schleswig-Holstein mit Urteil vom 24.09.2013 (Az.: 1 Sa 61/13) festgestellt, dass ein in einer Generalquittung anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbarter beidseitiger Verzicht auf Ansprüche gleich aus welchem Rechtsgrund im Rahmen eines vom Arbeitgeber gestellten Formulars typischerweise eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstelle und daher nach § 307 Abs. I Satz 1 BGB unwirksam sei.
Das BAG hat mit Urteil vom 23.10.2013 (Az.: 5 AZR 135/12) im Zusammenhang mit einer Ausgleichsquittung festgestellt, dass einer von einen Arbeitnehmer außerhalb eines Aufhebungsvertrages oder eines Prozessvergleiches vom Arbeitgeber vorformulierte Ausgleichsquittung allenfalls die Bedeutung eines deklaratorischen negativen Schuldanerkenntnisses zukomme. Ein verständiger und redlicher Arbeitgeber, der dem Arbeitnehmer anlässlich der Abholung von Arbeitspapieren und Restlohn eine vorformulierte Ausgleichsquittung zu Unterschrift vorlege, dürfe regelmäßig nicht davon ausgehen, der Wille des Arbeitnehmers richte sich darauf, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen zu bringen.
Um jedoch von vornherein Streit darüber zu vermeiden, ob und gegebenenfalls was von einer Generalquittung umfasst sein soll/kann, ist anzuraten, sich diesbezüglich fachanwaltschaftlichen Rat einzuholen.
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Gleichbehandlungsgrundsatz: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit?
Grundsätzlich gilt auch bei der Vergütung der Grundsatz der Vertragsfreiheit. „Interssant“ wird es aber, wenn der Arbeitgeber „Gruppen“ bildet. Zwar soll allein die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer nicht automatisch den Schluss erlauben, dass diese Arbeitnehmer eine Gruppe bilden würden. Eine Gruppenbildung liegt aber jedenfalls dann vor, wenn die Besserstellung nach einem oder mehreren Kriterien vorgenommen wird, die bei allen Begünstigten vorliegen.
Das BAG hat dazu bereits in einem Urteil vom 28.03.1996 (Az.: 6 AZR 501/95) festgestellt, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt ist, wenn ein Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage sachfremd schlechterstellt. Soweit der Arbeitgeber Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern bildet, müsse diese Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen.
Unten den Juristen wurde diskutiert, ob nach der Einführung des AGG der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz noch Anwendung findet oder durch das AGG bzw. die Antidiskriminierungsrichtlinien oder sonstiges EU-Recht verdrängt werde. Dagegen spricht, dass der Wortlaut des § 2 Abs. III S. 1 AGG. Danach wird die „Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder Gebote der Gleichbehandlung“ durch das AGG „nicht berührt“.
Im Bereich der Bezahlung ist an den Gleichbehandlungsgrundsatz jedenfalls dann zu denken, wenn der Arbeitgeber bestimmte Leistungen nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. So hat das BAG mit Urteil vom 27.07.2010 (Az.: 1 AZR 874/08) festgestellt, dass bei feststehender Gruppenbildung der Arbeitgeber die Gründe für die Differenzierung offenzulegen oder so detailliert darzulegen habe, dass die Beurteilung möglich ist, ob die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entspricht. Dabei hat laut BAG der von einer Gehaltserhöhung ausgenommene Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber einen gegebenenfalls im Wege der Stufenklage durchsetzbaren Auskunftsanspruch über die für eine Gehaltserhöhung verwendeten Regeln. Im Bereich der Arbeitsvergütung sei der Gleichbehandlungsgrundsatz trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit anwendbar, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werde und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewähre, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlege. Eine sachfremde Benachteiligung liege nicht vor, wenn nach dem Leistungszweck Gründe bestehen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, diesen Arbeitnehmern die den anderen gewährte Entgelterhöhung vorzuenthalten. Die Gründe müssten auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen beruhen und dürften nicht gegen höherrangige Wertentscheidungen verstoßen. Die Gruppenbildung sei nur dann gerechtfertigt, wenn die Unterscheidung einem legitimen Zweck diene und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen sei.
Diskutiert werden die Anwendung und Tragweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch bei Kündigungen. Von Interesse kann der Gleichbehandlungsgrundsatz auch bei Ansprüche im Zusammenhang mit der betrieblichen Altersversorgung sein. In kann sich daher für jeden Arbeitnehmer im wahrsten Sinne des Wortes sehr „lohnen“, sich bei diesen Fragen arbeitsrechtlich beraten zu lassen.
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Haftung: Für welche Schäden und in welcher Höhe haftet man als Arbeitnehmer?
Grundsätzlich haftet jeder Arbeitnehmer für Schäden, die er seinem Arbeitgeber zufügt nur dann auch der Höhe nach unbegrenzt, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde.
Eine Besonderheit gilt für Personenschäden, d.h. die Verletzung von Kollegen. Gemäß § 105 Abs. 1 SGB VII haften Arbeitnehmer und Auszubildende für Verletzungen, die sie einem Kollegen bei der Arbeit zufügen, nur bei Vorsatz. Wie das Hessische LAG in seiner Entscheidung vom 20.08.2013 (13 Sa 269/13) jedoch betont hat, ist Voraussetzung für die Haftungsprivilegierung aber, dass die Verletzung durch eine "betriebliche Tätigkeit" verursacht worden ist. In dem entschiedenen Fall fehlte es daran, da der Arbeitnehmer einen gefährlichen Gegenstand (hier: ein zehn Gramm schweres Wuchtgewicht) in Richtung eines anderen Arbeitnehmers weggeworfen und und den Kollegen hierdurch verletzt hatte.
Gerade bei Sachschäden wird häufig darüber gestritten, welchen Grad des Verschuldens (Vorsatz, grobe, mittlere oder einfach Fahrlässigkeit) den Arbeitnehmer trifft.
Versuche einzelner Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte die Haftung der Höhe nach grundsätzlich zu begrenzen, ist das BAG immer wieder entgegengetreten. So hat das BAG zuletzt mit Urteil vom 15.11.2012 (8 AZR 705/11) folgendes festgestellt:
„Verursacht ein Arbeitnehmer grob fahrlässig einen Schaden, so hat er grundsätzlich den gesamten Schaden zu ersetzen. Es können jedoch im Einzelfalle Haftungserleichterungen in Betracht kommen. Eine allgemeine Haftungsbeschränkung auf drei Bruttomonatsverdienste des Arbeitnehmers besteht allerdings nicht.“
Im konkreten Fall ging es um einen Schaden, der bei einer sogenannten Trunkenheitsfahrt verursacht wurde. Insoweit besteht – zumal gegenüber Berufskraftfahrern – in der Rechtsprechung keine große Toleranz.
Das BAG hat in der o.g. Entscheidung noch einmal seine Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung dargestellt. Danach hat ein Arbeitnehmer vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfange zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht. Bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen, bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen.
Das BAG bestimmt den Umfang der Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen durch eine Abwägung der Gesamtumstände, wobei insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen. Eine möglicherweise vorliegende Gefahrgeneigtheit der Arbeit ist ebenso zu berücksichtigen wie die Schadenshöhe, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes Risiko, eine Risikodeckung durch eine Versicherung, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe der Vergütung, die möglicherweise eine Risikoprämie enthalten kann. Auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers und die Umstände des Arbeitsverhältnisses, wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten können zu berücksichtigen sein. Von Bedeutung kann dabei auch sein, ob der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum verwirklichten Schadensrisiko der Tätigkeit steht.
Im Schadens- bzw. Haftungsfalle lohnt es sich daher im wahrsten Sinne des Wortes für jeden Arbeitnehmer, die Sach- und Rechtslage genau prüfen zu lassen.
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Hitzefrei: Alle Jahre wieder?
... kommt nicht nur der Sommer, sondern damit auch die Frage, ob es „Hitzefrei“ für Arbeitnehmer gibt.
Die Antwort gestaltet sich – leider und nicht untypisch für viele arbeitsrechtliche Fragen – etwas kompliziert.
Grundsätzlich besteht bereits keine Verpflichtung zur Arbeit, wenn die Anordnung/Durchführung der Arbeit gegen zwingende gesetzliche Schutzreche verstößt.
Dies bedeutet aber nicht, dass der Arbeitnehmer einfach nicht zur Arbeit kommt, wer er ahnt oder befürchtet, dass es ein heißer Tag wird. Der Arbeitnehmer ist „lediglich“ und solange berechtigt, seine Arbeitsleistung vor Ort nicht zu erbringen, wie z.B. die Raumtemperatur gegen zwingende Schutzrechte verstößt.
Zur Raumtemperatur bei der Arbeit besagt ein Anhang zur Arbeitsstättenverordnung, dass in „Arbeits-, Pausen-, Bereitschafts-, Sanitär-, Kantinen- und Erste-Hilfe-Räumen, in denen aus betriebstechnischer Sicht keine spezifischen Anforderungen an die Raumtemperatur gestellt werden, … während der Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Arbeitsverfahren, der körperlichen Beanspruchung der Beschäftigten und des spezifischen Nutzungszwecks des Raumes eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur bestehen“ muss.
Aus einer konkretisierenden Arbeitsschutzrichtlinie ergibt sich dabei weiter, dass ein Grenzwert von + 26 ° nicht überschritten werden „soll“ und ein solcher von + 35 ° nicht überschritten werden „darf“.
Konkret bedeutet dies. Bis einschließlich + 26 ° Raumtemperatur können Sie schwitzen und müssen arbeiten. Ab + 26,1 ° können Sie Ihren Arbeitgeber auffordern, tätig zu werden. Ab + 30 ° muss der Arbeitgeber tätig werden, um die Raumtemperatur – und zwar in dem jeweiligen Raum – zu senken. Gelingt ihm das nicht, können Sie sich weigern, weiter zu arbeiten. Ab und (nur) solange, wie es mehr als + 35 ° im Raum sind, besteht von vornherein keine arbeitsrechtliche Verpflichtung mehr, zu arbeiten.
Mit der betriebsverfassungsrechtlichen Frage, ob und welches Mitbestimmungsrecht der Betriebsrat in diesem Zusammenhang hat, hatte sich im Jahre 2013 das LAG Schleswig-Holstein zu befassen. In einem Beschluss vom 01.10.2013 (1 TaBV 33/13) hat es dazu festgestellt, dass es sich bei § 3 a ArbStättVO um eine hinreichend konkrete Rahmenvorschrift handelt, bei deren Ausfüllung dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. I Nr. 7 BetrVG zusteht. Eine Einigungsstelle, die eine konkrete betriebliche Regelung zur Wärmeentlastung finden solle, sei daher nicht offensichtlich unzuständig.
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Kinderbetreuung: Mein Kind ist erkrankt; muss ich trotzdem zur Arbeit?
Grundsätzlich ja, aber es gibt einige sehr praxisrelevante Ausnahmen, bei denen die Antwort „nein“ lautet.
Das BAG hatte sich vor kurzem mit der Frage zu beschäftigen, ob und für wie viele Tage im öffentlichen Dienst tätige Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlte Freistellung zu Betreuung ihrer Kinder haben. Das BAG hat dabei laut Pressemitteilung Nr. 40/14 mit Urteil vom 05.08.2014 (Az.: 9 AZR 878/12) festgestellt, dass ein im Geltungsbereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) nicht gesetzlich krankenversicherter Beschäftigter nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e Doppelbuchst. bb iVm. Satz 2 TVöD Anspruch darauf hat, bis zu vier Arbeitstage unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeit freigestellt zu werden, wenn ein Kind unter zwölf Jahren schwer erkrankt, eine andere Person zur Pflege oder Betreuung nicht sofort zur Verfügung steht und die Notwendigkeit der Anwesenheit des Beschäftigten zur vorläufigen Pflege ärztlich bescheinigt wird (vergleiche die ausführlichere Darstellung des Urteils im Bereich Aktuelles).
Grundsätzlich sind zwei Fragen zu unterscheiden:
Erstens, ob der Arbeitnehmer überhaupt einen Anspruch auf Freistellung von seiner Arbeitspflicht hat, d.h. zu Hause bleibe darf, um sein Kind zu betreuen.
Zweitens ob er ggf. trotzdem sein Gehalt für die „Fehlzeiten“ bekommt.
Ein Anspruch eines Arbeitnehmers auf Freistellung von der Arbeitspflicht kann sich sowohl aus dem Gesetz (zum Beispiel § 616 BGB und § 3 PflegeZG ), einem Tarifvertrag (s.o. die Entscheidung des BAG) oder auch einer Vertragsregelung ergeben.
§ 616 BGB besagt, dass der Arbeitgeber Lohn weiter zu zahlen hat, wenn der Arbeitnehmer aus einem in seiner Person liegenden Grund ohne Verschulden an seiner Arbeitsleistung gehindert ist. Die Arbeitsverhinderung muss dabei unvermeidbar sein. Klassischer Fall ist die Erkrankung des eigenen Kindes. Zu beachten ist dabei jedoch immer, dass der Arbeitnehmer sich zum Erhalt seiner Lohnansprüche darum bemüht haben muss, den Arbeitsausfall zu verhindern. Dies bedeutet zum Beispiel im Falle der Betreuung eines erkrankten Kindes, das bei dessen Absehbarkeit der Arbeitnehmer auch versuchen muss, für eine anderweite Betreuung zu sorgen. Sofern der Arbeitnehmer tatsächlich verhindert ist, darf diese Verhinderung nur für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit dauern. Dabei ist im allgemeinen anerkannt, dass dies im Fall des erkrankten Kindes einen Zeitraum von bis zu fünf Tagen umfassen kann. Liegen diesen Voraussetzungen vor, muss der Arbeitnehmer nicht arbeiten, und bekommt trotzdem Lohn vom Arbeitgeber. Zu beachten ist jedoch, dass der Arbeitgeber § 616 BGB in einem Arbeitsvertrag abbedingen kann.
Ein weiteres „Aber“ (s.o.) ergibt sich aus dem Freistellungsanspruch nach § 45 Abs. 3 und 5 SGB V.
Danach ist ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf unbezahlte Freistellung gegeben, sofern das erkrankte Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Weiter darf eine andere im Haushalt lebende Person für die Pflege nicht zur Verfügung stehen und die Pflegebedürftigkeit des Kindes muss durch ein ärztliches Attest bestätigt sein. Ist dies der Fall, besteht ein gesetzlicher Freistellungsanspruch (ohne entsprechenden Zahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber) für jedes Kind für die Dauer von höchstens 10 Arbeitstagen pro Kalenderjahr bzw. 20 Arbeitstage für Alleinerziehende. Unabhängig von der Kinderzahl sind maximal 25 Arbeitstage freizustellen bzw. 50 bei Alleinerziehenden. Solange und soweit der Arbeitgeber nach § 616 BGB Entgelte fortzuzahlen hat, besteht kein Anspruch auf Krankengeld. Der Anspruch nach § 45 SGB V ist nicht abdingbar.
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Konkurrenztätigkeit: Welche Folgen haben die Aufnahme von Konkurrenztätigkeiten?
Zu unterscheiden ist nach dem Zeitpunkt, wann diese Tätigkeiten aufgenommen werden. Sofern es kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gibt – an dessen Wirksamkeit besondere Voraussetzungen geknüpft sind – kann jeder Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhälnisses seinem „alten“ Arbeitgeber Konkurrenz machen.
Im laufenden Arbeitsverhältnis ist dies grundsätzlich verboten, auch wenn der schriftliche Arbeitsvertrag dazu keine Regelungen enthält. So hat z.B. das LAG Hessen mit Urteil vom 28.01.2013 (16 Sa 539/12) festgestellt, dass unerlaubte Konkurrenztätigkeit eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich rechtfertigen kann.
Das LAG Düsseldorf war in einer Entscheidung vom 04.09.2013 (4 TaBV 15/13) der Ansicht, dass eine in geringfügigem Umfang ausgeübte Tätigkeit für einen Wettbewerber des Arbeitgebers ohne vorausgegangene Abmahnung nicht ohne weiteres eine außerordentliche Kündigung rechtfertige. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Wettbewerbsverstoß die Interessen des Arbeitgebers allenfalls geringfügig beeinträchtige und der Arbeitnehmer auch nicht in bewusster Schädigungsabsicht zulasten seines Arbeitgebers gehandelt habe.
Auch sog. Vorbereitungshandlungen können arbeitsrechtliche Folgen haben. Dazu hatte das BAG in einer Entscheidung vom 16.01.2013 (10 AZR 560/11) festgehalten, dass die - noch - erlaubte Vorbereitung bei der Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, z.B. durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden oder Arbeitnehmern endet. In einer neueren Entscheidung hat das LAG Hessen (Urteil vom 10.06.2013, Az.: 21 Sa 850/12) festgestellt, dass die Grenze der zulässigen Vorbereitungshandlung überschritten wird, wenn ein Arbeitnehmer im noch bestehenden Arbeitsverhältnis seine Anmeldung zur Eintragung als Geschäftsführer eines anderen, bereits aktiven Konkurrenzunternehmens unterzeichnet und er sodann noch vor Beendigung seines Arbeitsverhältnisses im Handelsregister als Geschäftsführer dieser Konkurrenzunternehmens eingetragen wird. Es komme nicht darauf an, ob seine Eintragung auf einem Versehen seines Notars beruhe oder ob er bereits für das Konkurrenzunternehmen tätig geworden sei. Im konkreten Fall habe der "alte" Arbeitgeber die Eintragung als Geschäftsführer berechtigter Weise zum Anlass für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung genommen.
Es ist daher für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen sinnvoll, die rechtliche Situation in jedem Einzelfall genau prüfen zu lassen.
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Kündigung: Was ist bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu beachten?
Ganz wichtig: Es beginnen mit Zugang der Kündigung Fristen zu laufen!
Wollen Sie eine Kündigung zurückweisen, weil der Kündigende nicht bevollmächtigt bzw. keine schriftliche Vollmacht der Kündigung beigefügt ist, muss dies "unverzüglich" geschehen, § 174 BGB. Hier ist eine Woche nach Zugang bereits zu spät, d.h. es muss sehr schnell reagiert werden.
Für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist die im Gesetz vorgesehene 3-Wochenfrist zu beachten, § 4 KSchG. Entgegen eines weit verbreiteten Irrtums kann eine Kündigung grundsätzlich auch während einer Erkrankung oder eines Urlaubs ausgesprochen werden, d.h. bereits dann fangen die Fristen an zu laufen. Wenn Sie sich gegen eine Kündigung wehren wollen, sollten Sie daher immer die 3-Wochenfrist im Blick haben. Ggf. kann und muss die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage beantragt werden, § 5 KschG. Darauf sollte man es aber nicht ankommen lassen.
Jede Kündigung des Arbeitsverhältnisses hat schriftlich zu erfolgen (§ 623 BGB), d.h. es genügt nicht per Telefax oder Email. Auch insoweit muss ggf. die o.g. 3-Wochenfrist beachtet werden. Das Formerfordernis gilt für Kündigungen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers gleichermaßen, wobei sich Arbeitgeber eher selten gegen ein formunwirksame Kündigung wehren.
Eine fristlose Kündigung ist nur dann wirksam, wenn sie zwei Wochen nach Kenntnis der maßgeblichen Umstände erfolgt, § 626 BGB.
Sobald der Arbeitnehmer länger als 6 Monate im Betrieb ist, und der Betrieb eine bestimmte Größe hat, gilt das Kündigungsschutzgesetz. Dann setzt die Wirksamkeit der Kündigung u.a. voraus, dass Kündigungsgründe vorliegen. Man unterscheidet grundsätztlich zwischen Gründen in der Person des Arbeitnehmers (z.B. Langzeiterkrankungen), dem Verhalten des Arbeitnehmers (z.B. strafbares Verhalten) und betriebsbedingten Gründen (wenn z.B. keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für den Arbeitnehmer besteht). In den allermeisten Verfahren vor den Arbeitsgerichten wird zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber darüber gestritten, ob ein wirksamer Kündigungsgrund vorliegt.
Weiter sind bei jeder ordentlichen Kündigung die im Vertrag bzw. Gesetz vorgesehenen Kündigungsfristen zu beachten.
In kleineren Betrieben besteht ein allgemeiner Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber muss in Kleinstbetrieben seine Kündigung nicht sozial rechtfertigen, insbesondere findet bei betriebsbedingten Kündigungen keine Sozialauswahl nach § 1 Absatz III KSchG statt. Allerdings unterliegt die Kündigung - als Rechtsgeschäft - den allgemeinen zivilrechtlichen Generalklauseln (§ 138, BGB § 242 BGB), die den Arbeitnehmer vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts schützen.
Darüber hinaus gibt es für besondere Personengruppen sog. Sonderkündigungsschutz (z.B. für Schwerbehinderte, Schwangere und Personen in der Elternzeit).
Bei einem bestehenden Betriebsrat ist dieser vor jeder Kündigung ordnungsgemäß anzuhören. Ob dies der Fall war, ist oft im Streit.
Sie sollten sich nach Erhalt eines Kündigung schnellstmöglichst durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten lassen.
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Kündigung ohne Vollmacht: und dann?
Unverzüglich handeln!
Erstaunlich oft werden Kündigungen von Personen unterschrieben, die dazu nicht – oder nicht alleine – berechtigt sind. Ist einer solchen Kündigung keine Originalvollmacht des Kündigungsberechtigten beigefügt, ist diese Kündigung unwirksam, wenn sie aus diesem Grunde (nicht beigefügter Originalvollmacht) unverzüglich zurückgewiesen wird (§ 174 S. 1 BGB). Dies gilt auch in Kleinbetrieben und während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses.
Falls Ihnen eine Kündigung zugeht, bei der zweifelhaft ist, ob der Kündigende dazu berechtigt war, ist daher unverzüglich zu handeln.
Das LAG Schleswig-Holstein hat in einer neueren Entscheidung (Urteil vom 24.02.2014, Az.: 1 Sa 252/13) festgestellt, dass eine Bestellung einer Person zum Personalleiter alleine nicht genügt, um das Zurückweisungsrecht des Arbeitnehmers hinsichtlich einer ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung auszuschließen. Erforderlich sei vielmehr stets, dass der Vollmachtgeber (= Arbeitgeber) den Arbeitnehmer über die Berufung in die Position des Personalleiters in Kenntnis gesetzt hat. Dabei kann nach der Rechtsprechung des BAG für § 174 S. 2 BGB eine konkludente Mitteilung genügen, die Erlangung der Kenntnis auf anderem Wege dagegen nicht. Ein „In‑Kenntnis‑Setzen“ kann insbesondere nicht wirksam durch einen Hinweis des Vertreters auf seine Vertreterstellung erfolgen (BAG, Urteil vom 12.01.2006, Az.: 2 AZR 179/05).
Das BAG hat zwar in mehreren Entscheidungen darauf hingewiesen, dass das Recht zur Zurückweisung nach § 174 S. 1 BGB grundsätzlich nicht im Falle gesetzlicher, organschaftlicher Vertretung (z.B. Geschäftsführer einer GmbH) bestehen soll. Dies gilt aber laut BAG nicht, wenn im Falle organschaftlicher Gesamtvertretungsmacht ein einzelnes Organmitglied durch die übrigen Organmitglieder zur Alleinvertretung ermächtigt wird. In diesem Falle ist § 174 BGB analog anwendbar (vgl. bereits BAG, Urteil vom 18.12.1980, Az.: 2 AZR 980/78 und aus neuerer Zeit LAG Köln, Urteil vom 13.08.2013, Az.: 11 Sa 1099/12).
Es kann daher sinnvoll sein, die Vertretungsbefugnisse durch Einsicht in das Handelsregister zu überprüfen.
„Unverzüglich“ i.S.d. § 174 BGB bedeutet unter Berücksichtigung von § 121 BGB „ohne schuldhaftes Zögern“.
Die Rechtsprechung geht einhellig davon aus, dass „unverzüglich“ nicht „sofort“ bedeutet. Dem Gekündigten wird gestattet, sich vor Zurückweisung in einem angemessenen Zeitraum rechtlichen Rat einzuholen. Man sollte allerdings nicht unnötig riskieren, nicht innerhalb einer angemessenen Zeit reagiert zu haben. Zwar gibt es auch in der Rechtsprechung keine absolute Grenze in Tagen. Es wird in jedem Einzelfall geguckt, oder die Gekündigte die notwendigen Schritte bis zur Zurückweisung zügig gegangen ist. In einzelnen Entscheidungen wurden Fristen von zehn Kalendertagen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 24. 02.2009, Az.: 5 Sa 256/08; LAG Düsseldorf, Urteil vom 22.02.1995, Az.: 4 Sa 1817/94) für noch „unverzüglich“ gehalten. Demgegenüber geht das BAG davon aus, dass eine Zeitspanne von einer Woche unter normalen Umständen ausreichend ist, eine Entscheidung über die Zurückweisung zu treffen, weil die Rüge des § 174 BGB keinerlei Nachforschung und auch keine schwierigen Abwägungsprozesse erfordere (Urteil vom 08.12.2011, Az.: 6 AZR 354/10).
Dies gilt auch, wenn der Kündigungsempfänger z.B. vier Tage nach Zugang der Kündigung erst einen Rechtsanwalt aufsucht und die Erklärung über die Zurückweisung danach erst dreizehn Tage nach Kündigungszugang zugestellt wird (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.02.2001, Az.: 2 Sa 1416/00).
Drum sollte man wirklich schnell die Rechtslage prüfen und ggf. eine Zurückweisung vornehmen (lassen).
Einer besonders sorgfältigen Prüfung bedarf es, wenn es aus taktischen Gründen sinnvoll ist, die Zurückweisung nicht sofort, aber noch unverzüglich vorzunehmen. Eine möglichst späte Zurückweisung kann z.B. bei einer erneuten Kündigung zu einer längeren Kündigungsfrist führen, die 6-monatige Wartezeit nach § 1 Abs. I KSchG dann erfüllt oder die Zweiwochenfrist für eine fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. II BGB für den Arbeitgeber zwischenzeitlich abgelaufen sein.
Erstaunlicherweise übersehen auch viele Rechtsanwälte, dass auch der Zurückweisung gegebenenfalls eine Originalvollmacht beigefügt sein muss, da ansonsten die Zurückweisung ihrerseits dann zurückgewiesen werden kann.
Man sollte daher in solchen Fällen immer einen fachlich qualifizierten Rechtsanwalt aufsuchen.
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Leiharbeit: Ein wichtiges Thema auch für die Stammbelegschaft?
Ja, ganz eindeutig. Das Thema „Leiharbeit“ ist nicht nur für Verleiher und Leiharbeitnehmer von Interesse, sondern auch für die „Stammbelegschaft“ eines jeden Betriebes.
Das BAG hat sich in der Vergangenheit zu vielfältigen Fragen mit diesem Thema befasst. So hat das BAG unter anderem mit Beschluss vom 10.07.2013 (7 ABR 91/11) festgestellt, dass der Betriebsrat bei einem nicht nur vorübergehenden Einsatz von Leiharbeitnehmern seine Zustimmung zur Einstellung verweigern kann. Weiter hat das BAG bereits festgestellt, dass die Leiharbeitnehmer bei der Betriebsratswahl in dem Entleiherbetrieb nicht nur aktiv- sondern auch passivlegitimiert für die Betriebsratswahl sind. Mit Beschluss vom 15.10.2013 (1 ABR 25/12) hat das BAG in diesem Zusammenhang weiter festgehalten, dass der Arbeitgeber nach § 93 BetrVG grundsätzlich auch zur Ausschreibung von innerbetrieblichen Arbeitsplätzen verpflichtet ist, wenn diese mit Leiharbeitnehmern besetzt werden sollen.
Von Bedeutung kann der Einsatz von Leiharbeitnehmern auch dann für Arbeitnehmer der Stammbelegschaft werden, wenn diesen gekündigt werden soll, obwohl Leiharbeitnehmer im Einsatz sind. Insbesondere bei der sich dann stellenden Frage, ob betriebsbedingte Gründe für eine Kündigung eines Arbeitnehmers aus der Stammbelegschaft vorliegen, ist genau zu prüfen, ob und in welchem Umfange Leiharbeitnehmer im Betrieb tätig sind und der Arbeitgeber sich womöglich zunächst von diesem trennen müsste. Jedenfalls zählen laut BAG (Urteil vom 24.01.2013 Az.: 2 AZR 140/12) die überlassenen Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb bei der Berechnung der Betriebsgröße nach § 23 KSchG dazu. Dies jedenfalls dann, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht.
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Maßregelungsverbot; das unbekannte Wesen?!: Darf man mir kündigen, weil ich bei der Geltendmachung meiner Rechte (m)einen Rechtsanwalt beauftragt habe?
Nein!
Wenn das KSchG keine Anwendung findet (z.B. weil die Betriebsgröße nicht erreicht wird oder man noch nicht lange genug im Betrieb beschäftigt ist), kann eine Kündigung dennoch unwirksam sein, z.B. weil sie gegen das Maßregelungsverbot verstößt.
§ 612 a BGB besagt, dass der „Arbeitgeber … einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen (darf), weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.“ § 612 a BGB ist nicht abdingbar und gewährleistet einen umfassenden Schutz, der sich nicht nur auf die aus dem Arbeitsvertrag folgenden Rechte beschränkt, sondern erstreckt sich auf jede Form der Rechtsausübung.
Auch eine Kündigung kann eine „Maßnahme“ i.S.d. § 612 a BGB sein. Nach wohl h.M. ist eine Kündigung allerdings nur dann wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot unwirksam, wenn der tragende Beweggrund für die Kündigung die zulässige Rechtsausübung durch den Arbeitnehmer ist.
Mit einem konkreten Fall hatte sich das ArbG Dortmund in seiner Entscheidung vom 12.02.2014 (Az.: 9 Ca 5518/13) zu befassen. Was war geschehen?
Eine Arbeitnehmerin hatte bereits bei Vertragsbeginn darauf hingewiesen, dass sie einen bereits gebuchten Urlaub auch wie geplant antreten wolle, was ihr seitens des Arbeitgebers auch zugesagt worden war. Der bereits in dem Urlaubsplaner des Arbeitgebers vermerkte Urlaub wurde dann jedoch nicht genehmigt. Zwischen der Klägerin und Vorgesetzten geführte Gespräche führten auch nicht dazu, dass der Urlaub gewährt wurde. Daraufhin beauftragte die Klägerin einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung ihrer Urlaubsansprüche. Auf das anwaltliche Schreiben wegen des Urlaubs reagierten weder die Geschäftsleitung noch die Personalleitung der Beklagten. Stattdessen kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis während der Probezeit.
Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage war erfolgreich.
Das ArbG hat entschieden, dass die Kündigung gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612 a BGB verstoße und daher unwirksam sei. Die Beklagte selbst hat in dem Verfahren darauf abgestellt, dass Ursache der Kündigung nicht die Urlaubsplanung der Klägerin gewesen sei, sondern allein deren Vorgehensweise, d.h. dass sie während der Probezeit mit der Beklagten über einen Rechtsanwalt kommuniziert habe.
Nach Überzeugung des ArbG hat die Klägerin jedoch in zulässiger Weise ihre Rechte ausgeübt, indem sie einen Rechtsanwalt zu Rate gezogen habe, der seinerseits ein anwaltliches Schreiben unter Fristsetzung an die Beklagte gerichtet habe. Hierfür sei die Klägerin dadurch sanktioniert worden, dass sie eine Kündigung erhalten habe.
Das ArbG weist darauf hin, dass es aus Sicht der Klägerin verständlich und auch vernünftig gewesen sei, sich externe anwaltliche Hilfe zu suchen, insbesondere nachdem die aus ihrer Sicht Verantwortlichen ihren Urlaub abschließend nicht genehmigt hätten. Eine Verpflichtung, sich zuvor an die Arbeitnehmervertretung oder an die Personalleitung zu wenden, bestände nach Auffassung des ArbG in dem konkreten Fall nicht.
Das anwaltliche Schreiben sei auch vor dem Hintergrund einer Fristsetzung nicht unzulässig oder unangemessen gewesen. Es habe in Anbetracht des in ca. 14 Tagen bevorstehenden Urlaubs ein gewisser Handlungsdruck bestanden. Zudem sei das Schreiben nicht in einem unangemessenen Ton verfasst gewesen, auch wurde darin eine gerichtliche Auseinandersetzung auch nicht angedroht.
Arbeitnehmer/innen müssen daher nicht befürchten, allein durch die Einschaltung eines Rechtsanwalt rechtliche Nachteile zu erleiden. Ein guter Rechtsanwalt wird mit Ihnen auch erörtern, ob er oder Sie direkt tätig werden müssen/können.
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Mobbing:: Was ist das? Und womit befasst sich die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung in diesem Zusammenhang?
Einer relativ neuen Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz lassen sich folgende Leitsätze entnehmen:
1. „Mobbing" ist kein Rechtsbegriff und damit auch keine mit einer Rechtsnorm vergleichbare selbständige Anspruchsgrundlage für Ansprüche eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber oder gegen Vorgesetzte bzw. Arbeitskollegen.
2. Macht ein Arbeitnehmer konkrete Ansprüche auf Grund „Mobbings" geltend, muss jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene in den vom Kläger genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers iSv § 823 I BGB, ein Schutzgesetz iSv § 823 II BGB verletzt oder eine sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB begangen hat.
3. Stellen die einzelnen, vom Arbeitnehmer dargelegten Handlungen oder Verhaltensweisen seiner Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder seines Arbeitgebers für sich allein betrachtet noch keine Rechtsverletzungen dar, ist zu prüfen, ob die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zu einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führt, weil deren Zusammenfassung auf Grund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechtes des Arbeitnehmers führt. (Leitsätze der Redaktion) LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.02.2018 - 1 Sa 259/17, BeckRS 2018, 6088 aus (FD-ArbR 2018, 405377, beck-online)In der Praxis stelle ich nach wie vor einer eher größere "Skepsis" auch der damit befassten ArbeitsrichterInnen fest, wenn es um dieses Thema geht. Unabhängig davon, dass es in Deutschland ohnehin im Verhältnis zB zu Entscheidungen aus den USA eher nur um "kleine" Geldbeträge geht, ist auch die tatsächliche Handhabung derartiger Fälle nach wie vor eher ernüchternd. Man sollte sich daher eingehend beraten lassen, bevor man ein "Mobbingverfahren" startet.
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Namensliste: Welche Folgen hat es, wenn mein Name auf einer Namensliste steht?
In Betrieben bestimmter Größe hat der Arbeitgeber vor Betriebsänderungen (z.B. der Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern) den Betriebsrat umfassend zu unterrichten und ggf. einen Interessenausgleich zu beraten und zu beschließen, §§ 111 f. BetrVG.
In der Praxis gibt es dann manchmal sogenannte „Namenslisten“, d.h. die zu kündigenden Arbeitnehmer werden namentlich benannt. Daraus folgen für die namentlich genannten Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs. V KSchG die großen Nachteile, dass vermutet wird, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Gründe bedingt ist und die soziale Auswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann.
So hat das BAG u.a. mit Urteil vom 27.09.2012 (2 AZR 516/11) festgestellt, dass bei Vorliegen einer wirksamen Namensliste der Wegfall der bisherigen Beschäftigung und das Fehlen anderer Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb vermutet wird. Gegen diese Vermutung ist laut BAG nur der Beweis des Gegenteils zulässig. Der Arbeitnehmer muss daher darlegen und beweisen, dass in Wirklichkeit eine Beschäftigungsmöglichkeit für ihn weiterhin besteht.
In einer anderen Entscheidung (BAG, Urteil vom 20.09.2012 - 6 AZR 483/11) hat das BAG selbst eine Sozialauswahl, der eine Verkennung des Betriebsbegriffs zugrunde lag, nicht stets als grob fehlerhaft angesehen, sondern festgestellt, dass die Sozialauswahl nur dann grob fehlerhaft sei, wenn im Interessenausgleich der Betriebsbegriff selbst grob verkannt worden ist, seine Fehlerhaftigkeit also "ins Auge springt".
Im Ergebnis sind daher betriebsbedingte Kündigungen im Zusammenhang mit Namenslisten immer einer besonders sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Manchmal stellt sich dabei auch heraus, dass der Interessenausgleich/die Namensliste unwirksam ist, z.B. weil die für den Interessenausgleich und Namensliste erforderliche Schriftform nicht gewahrt wurde.
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Outplacement: und die Steuerschulden?
In Wikipedia wird „Outplacement“ definiert als „eine von Unternehmen finanzierte Dienstleistung für ausscheidende Mitarbeiter, die als professionelle Hilfe zur beruflichen Neuorientierung angeboten wird, bis hin zum Abschluss eines neuen Vertrages oder einer Existenzgründung.“
In der arbeitsrechtlichen Praxis wird Outplacement von Arbeitgebern oft als „Bonbon“ in einem Gesamtpaket einer einvernehmlichen Trennung angeboten.
Leider wissen auch viele Arbeitnehmer nicht, dass die entsprechenden Leistungen in aller Regel von ihnen zu versteuern sind.
Das FG Baden-Württemberg hatte in einem Urteil vom 06.03.2007 (Az.: 4 K 280/06) entschieden, dass die von einem Arbeitgeber gezahlten Kosten für eine Outplacementberatung als geldwerter Vorteil von dem Arbeitnehmer zu versteuern sind. Der Arbeitnehmer könne die Kosten der Outplacementberatung jedoch als vorweggenommene Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit oder als vorweggenommene Betriebsausgaben bei selbstständiger Tätigkeit abziehen, soweit eine Abkürzung des Vertragswegs vorliege. Dies sei dann der Fall, wenn die zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer getroffene Regelung in ihrem wirtschaftlichen Gehalt der Situation gleichzusetzen ist, dass der Arbeitgeber dem weichenden Arbeitnehmer eine um die Kosten der Outplacementberatung erhöhte Abfindung unter der Voraussetzung zusagt, dass der Arbeitnehmer selbst einen Vertrag über eine solche Beratung abschließt und die Honorarrechnung selbst bezahle.
Im ungünstigsten Falle kann dies bedeuten, dass der Arbeitnehmer für eine nicht erfolgreiche Outplacementmaßnahme auch noch Steuern bezahlen muss, die der Arbeitgeber dann direkt bei der Auszahlung der „eigentlichen“ Abfindungssumme bereits einbehält oder der Arbeitnehmer nachträglich entrichten muss.
Es spricht daher einiges dafür, (auch) diesen Punkt im Vorwege mit seinem Arbeitgeber abzuklären und sich auch hinsichtlich der steuerrechtlichen Folgen beraten zu lassen.
Weitere Hinweise zu den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen einer „Aufhebungsvereinbarung“ finden Sie zu dem entsprechenden Stichwort im Bereich „FAQ“.
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Praktikum: Ganz schön „praktisch“ für manche Arbeitgeber?
Manchmal ist im Streit, ob jemand als „Praktikant“ oder „normaler“ Arbeitnehmer beschäftigt wird. Wie bei vielen anderen Fragen auch, kommt es dabei in der Regel nicht so sehr darauf an, was „draufsteht“, sondern was „drin“ ist.
Oder anders gesagt. Selbst wenn ein Vertrag als „Praktikumsvertrag“ überschrieben ist, kann es sich um ein normales Arbeitsverhältnis handeln.
Klassische und rechtlich vorgesehene Praktika sind sehr oft schul- oder studiumbedingt. Es kommt auch dort immer darauf an, ob die schulische Ausbildung im Vordergrund steht oder nicht. Im „normalen“ Arbeitsverhältnis steht demgegenüber die Überlassung der Arbeitskraft gegen Bezahlung im Vordergrund.
Das BAG hat bereits mit Urteil vom 13.03.2003 (Az.: 6 AZR 564/01) folgende Unterscheidungsmerkmale aufgestellt:
„Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienst eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist … Der Arbeitnehmer erbringt seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation. Seine Eingliederung in die Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass er einem Weisungsrecht unterliegt, das Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann. … Demgegenüber ist ein Praktikant in aller Regel vorübergehend in einem Betrieb praktisch tätig, um sich die zur Vorbereitung auf einen - meist akademischen - Beruf notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen anzueignen. Allerdings findet in einem Praktikantenverhältnis keine systematische Berufsausbildung statt. Vielmehr wird eine darauf beruhende Tätigkeit häufig Teil einer Gesamtausbildung sein und beispielsweise für die Zulassung zu Studium oder Beruf benötigt.“
Auch das sog. „Volontariat“ hält oft nicht dass, was es verspricht, sondern ist eine verkappte Beschäftigung als Arbeitnehmer.
Während für den Auszubildenden in § 17 BBiG ausdrücklich geregelt ist, dass dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren ist, ist dies für Praktikanten und Volontäre nicht ausdrücklich geregelt. Es gibt auch daher immer wieder Streit darüber, ob und in welcher Höhe etwas bezahlt werden muss. Auch dabei spielt dann nach dem o.g. eine wichtige Rolle, ob und vor allem welche Pflichten der „Praktikant“ hatte und er ob vergleichbar dem neben ihm tätigen Arbeitnehmer in den Betrieb eingegliedert war und gearbeitet hat.
Auf „richtige“ Praktikantenverhältnisse finden gemäß § 26 BBiG die §§ 10-23 und 25 BBiG mit der Maßgabe Anwendung, dass die gesetzliche Probezeit abgekürzt, auf die Vertragsniederschrift verzichtet und bei vorzeitiger Lösung des Vertragsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit abweichend von § 23 Abs. I Schadensersatz nicht verlangt werden kann.
Steht dagegen der Ausbildungszweck nicht im Vordergrund, sondern wird stattdessen tatsächlich fremdbestimmte (Vollzeit-)Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet, ist das Unternehmen nach § 612 Abs. 2 BGB verpflichtet, der als Praktikant eingestellten Person trotz Bezeichnung des Vertragsverhältnisses als Praktikum die übliche Vergütung eines Arbeitnehmers zu zahlen (so auch das LAG Baden-Württemberg in einem Urteil vom 08.02.2008 (Az.: 5 Sa 45/07). In dem dort entschiedenen Fall stand in einem sechsmonatigen so genannten Praktikantenverhältnis der Ausbildungszweck nicht im Vordergrund, d.h. der Ausbildungszweck überwog nicht deutlich die für den Betrieb erbrachten Leistungen und Arbeitsergebnisse, so dass die „Vergütung“ von € 375,-- Euro sittenwidrig war. Mit einem besonders krassen Fall hat sich auch das ArbG Bochum in seiner Entscheidung vom 25.03.2014 (Az.: 2 Ca 1482/13) befasst.
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Schriftformklausel: Gilt immer auch das mündlich Vereinbarte?
Nicht immer, aber jedenfalls dann, wenn nicht eine wirksame Schriftformklausel vereinbart wurde.
Viele Arbeitsvertäge enthalten eine sog. "Schriftformklausel". Diese soll im Ergebnis bewirken, dass nur das schriftlich Vereinbarte gilt.
Bei einer Prüfung der Wirksamkeit einer entsprechenden Klausel ist jedoch u.a. das Urteil des BAG vom 20.05.2008 (9 AZR 382/07) zu beachten.
Das BAG hat in dieser Entscheidung festgestellt, dass eine vom Arbeitgeber im Arbeitsvertrag als Allgemeine Geschäftsbedingung aufgestellte doppelte Schriftformklausel beim Arbeitnehmer den Eindruck erwecken könne, jede spätere vom Vertrag abweichende mündliche Abrede sei gemäß § 125 S. 2 BGB nichtig. Dies entspricht jedoch nach Ansicht des BAG nicht der wahren Rechtslage, da gemäß § 305b BGB individuelle Vertragsabreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben. Das BAG hat festgehalten, dass dieses Prinzip des Vorrangs (mündlicher) individueller Vertragsabreden sich auch gegenüber doppelten Schriftformklauseln durchsetzt. Eine zu weit gefasste doppelte Schriftformklausel sei irreführend und benachteilige den Vertragspartner deshalb unangemessen im Sinne von § 307 Absatz I BGB (in diesem Sinne auch eine neuere Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 23.05.2013, Az.: 5 Sa 375/12).
Zu beachten ist weiter, dass sich nach einer Entscheidung des LAG Hamm (Urteil vom 02.07.2013 - 14 Sa 1706/12) der Arbeitgeber jedoch als Verwender des Formulararbeitsvertrages ggf. nicht auf eine etwaige Unwirksamkeit der doppelten Schriftformklausel nach § 307 I BGB berufen kann. Er selbst bleibt ggf. wie bei einer entsprechenden Individualvereinbarung an das von ihm selbst vorgegebene Schriftformerfordernis gebunden (so auch das LAG Köln in seinem Urteil vom 21.08.2013, Az.: 11 Sa 171/13; das LAG Köln hat in dieser Entscheidung weiter festgestellt, dass die Berufung auf einen Formmangel ausnahmsweise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen könne, wenn der Erklärende seinen Willen mit ganz besonderer Verbindlichkeit und Endgültigkeit mehrfach zum Ausdruck bringe und damit einen besonderen Vertrauenstatbestand schaffe und zudem das Ergebnis des Formmangels für den Erklärungsempfänger nicht nur hart, sondern schlechthin untragbar sei).
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Sperrzeit bei verspäteter Arbeitssuchendmeldung: Wann muss ich mich bei der Arbeitsagentur melden und was passiert, wenn ich mich zu spät melde?
Aus Anlass einer aktuellen Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen ist darauf hinzuweisen, dass im Zusammenhang mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses diverse Nachteile auch gegenüber der Arbeitsagentur drohen können.
Im entschiedenen Fall (Urteil vom 25.09.2014 – L 9 AL 236/13) hat das LSG ein „versicherungswidriges Verhalten“ angenommen und eine Sperrfrist verhängt, obwohl der Arbeitnehmer faktisch unvermittelbar war.
Auch wenn heutzutage schon viele Arbeitgeber in den Kündigungsschreiben darauf hinweisen, dass sich der gekündigte Arbeitnehmer innerhalb von 3 Tagen bei der Arbeitsagentur zu melden hat, ist dies noch nicht überall bekannt. Man sollte es im Falle eines fehlenden Hinweises des Arbeitgebers nicht darauf ankommen lassen, diesen gegebenenfalls schadenersatzpflichtig zu machen, sondern von sich auf darauf achten, die maßgebliche Frist einzuhalten.
§ 38 SGB III besagt, dass Personen, deren Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis endet, verpflichtet sind, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, haben sie sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu melden.
Diese Pflicht zur Meldung besteht dabei unabhängig davon, ob der Fortbestand des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird.
Die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis oder bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung beträgt gemäß § 159 Abs. VI SGB III eine Woche.
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Überstunden: Wann sind Überstunden zu bezahlen?
Klagen auf die Bezahlung von Überstunden gehen oft zu Lasten des Arbeitnehmers aus. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass das BAG verlangt, dass der Arbeitnehmer darzulegen und – soweit der Arbeitgeber dies bestreitet – zu beweisen hat, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer zwar zunächst seiner Darlegungslast, wenn er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann gearbeitet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat (BAG, Urteil vom 16.05.2012 − 5 AZR 347/11). Der notwendige Vortrag scheitert manchmal in der Praxis jedoch bereits daran, dass der Arbeitnehmer nicht mehr genau weiß, an welchen Tagen er von wann bis wann genau gearbeitet hat. Dies gilt insbesondere, wenn die Bezahlung der Überstunden erst lange Zeit nach deren Leistung geltend gemacht wird. Auch darüber, ob die Überstunden mit „Wissen und Wollen“ des Arbeitgebers erbracht wurden, wird immer wieder gestritten. Der Arbeitgeber muss nach der Rechtsprechung die Anwesenheit des Arbeitnehmers angeordnet oder in sonstiger Weise zum Ausdruck gebracht haben, dass er die über das übliche Zeitmaß hinausgehende Arbeitsleistung des Arbeitnehmers billigt oder zumindest duldet.
Das BAG hat dazu in seinem Urteil vom 10.04.2013 (5 AZR 122/12) folgende Orientierungssätze aufgestellt:
1. Der Anspruch auf Vergütung von Überstunden setzt neben deren Leistung voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Arbeitnehmer.
2. Für eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat.
3. Für eine konkludente Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer darlegen, dass eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten oder ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte.
4. Mit der ausdrücklichen oder konkludenten Billigung von Überstunden ersetzt der Arbeitgeber die fehlende vorherige Anordnung schon geleisteter Überstunden. Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, wer wann auf welche Weise zu erkennen gegeben habe, mit der Leistung welcher Überstunden einverstanden zu sein.
5. Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden fürderhin zu unterbinden. Dazu muss der Arbeitnehmer vortragen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Erst wenn dieses feststeht, ist es Sache des Arbeitgebers, darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat.
Diese Rechtsprechung, die die meisten Untergerichte auch anwenden, führt in der Praxis für Arbeitnehmer oft zu großen Problemen. Sorgfältige Aufarbeitung des Sachverhalts ist daher dringend notwendig.
Darüber hinaus ist es nach neuer Rechtsprechung des BAG möglich, eine gewisse Überstundenzahl von vornherein mit dem „Grundgehalt“ oder einer „Pauschale“ abzugelten. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob die in einem Arbeitsvertrag gewählte Formulierung wirksam ist. Ab bestimmten Gehaltshöhen geht das BAG im Übrigen davon aus, dass man ohne besondere Regelung eine Bezahlung von einer Anzahl von Überstunden auch nicht erwarten dürfe (vom BAG aber ausdrücklich bejaht wurde eine Vergütungserwartung für geleistete Überstunden z.B. bei einem Lagerleiter mit einem Bruttomonatsgehalt von € 1.800,-- (BAG, Urteil vom 22.02.2012 - 5 AZR 765/10)). Auch hier sind viele Rechtsfragen noch nicht geklärt und in jedem Einzelfall die konkrete Überstundenregelung zu prüfen.
Im Vorwege stellt sich oft die Frage, ob Überstunden überhaupt geleistet werden müssen. Eine Grenze nach „oben“ bildet insoweit das Arbeitszeitordnung, welches bestimmten Maximalarbeitszeiten vorsieht. In diesem Rahmen hängt es ganz erheblich davon ab, was vertraglich geregelt ist. Ist vertraglich nichts zu der Leistung von Überstunden geregelt, kann der Arbeitgeber nicht allein auf Grund seines Weisungsrechts Überstunden anordnen. Dennoch kann der Arbeitnehmer im Einzelfall – zB Not- oder Eilfälle – verpflichtet sein, der Anordnung nachzukommen.
Folgende weitere Entscheidungen des BAG befassen sich mit der Frage, ob und ggf. was vertraglich geregelt werden kann:
BAG, Urteil vom 16.05.2012 (5 AZR 331/11): Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die ausschließlich die Vergütung von Überstunden, nicht aber die Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers zur Leistung von Überstunden regelt, ist eine Hauptleistungsabrede und ist deshalb von der Inhaltskontrolle nach § 307 I 1 BGB ausgenommen. (amtl. Leitsatz)
BAG, Urteil vom 01.09.2010 (5 AZR 517/09): Die in einem vom Arbeitgeber gestellten Formulararbeitsvertrag enthaltene Klausel, mit der monatlichen Bruttovergütung seien „erforderliche Überstunden des Arbeitnehmers mit abgegolten“, ist mangels näherer Bestimmung des Umfangs der geschuldeten Arbeitsleistung intransparent i. S. von § BGB § 307 BGB § 307 Absatz I 2 BGB und deshalb gem. § BGB § 306 BGB § 306 Absatz I BGB unwirksam. (Orientierungssatz)
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Verdachtskündigung: Reicht der Verdacht eines strafbaren Verhaltens für eine Kündigung aus?
Von einer Verdachtskündigung spricht man, wenn – anders als bei einer sog. Tatkündigung – der Arbeitgeber bereits den Verdacht z.B. eines strafbaren Verhaltens zum Anlass nimmt, eine Kündigung auszusprechen.
Typischer Weise kommt dies zB bei Eigentumsdelikten immer wieder vor. Der Arbeitgeber weiß, dass bestimmte Dinge aus seinem Betrieb entwendet werden und verdächtigt einen bestimmten Arbeitnehmer als Täter. Will der Arbeitgeber eine Kündigung alleine auf diesen Verdacht stützen, muss er nach der Rechtsprechung zwingend vor Ausspruch der Kündigung den Arbeitnehmer zu diesem Verdacht anhören, und zwar nicht allgemein, sondern ganz konkret. Dem Arbeitnehmer muss die Möglichkeit eingeräumt werden, sich zu den Verdächtigungen zu erklären. An einer ordnungsgemäßen Anhörung scheitern in der Praxis immer wieder Verdachtskündigungen.
So hat z.B. das LAG Schleswig-Holstein mit Urteil vom 19.06.2013 (3 Sa 208/12) festgestellt, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Verdachtskündigung zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung verpflichtet ist. Dabei darf er nicht nur Fakten zu Lasten des Arbeitnehmers zusammentragen. Er muss auch prüfen, ob es entlastende Fakten gibt, die gegen den Verdacht einer strafbaren Handlung sprechen. Bestehen verschiedene Möglichkeiten, mit denen ein ausgewiesener Differenzbetrag erklärt werden kann, kann nicht einseitig zu Lasten des Arbeitnehmers davon ausgegangen werden, er habe sich den Betrag durch eine strafbare Handlung angeeignet.
Das LAG Berlin-Brandenburg hat in einem Urteil vom 30.03.2012 (Az.: 10 Sa 2272/11) dazu weiter festgehalten, dass die Einladung zur Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung den Gegenstand des Gesprächs beinhalten und den Mitarbeiter in die Lage versetzen müsse, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen.
Unterbleibt eine wirksame Anhörung des Arbeitnehmers, ist jedenfalls die Verdachtskündigung bereits aus diesem Grunde unwirksam. Unabhängig davon kann aber eine Tatkündigung dennoch wirksam sein.
Weiter ist in diesem Zusammenhang das Urteil des BAG vom 21.11.2013 (Az.: 2 AZR 797/11) zu beachten, wonach eine Verdachtskündigung auch als ordentliche Kündigung sozial nur gerechtfertigt sei, wenn Tatsachen vorliegen würden, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Das BAG stellt darauf ab, dass im Anwendungsbereich des KSchG der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis - schon wegen der Gefahr, dass ein Unschuldiger getroffen werde - wegen des bloßen Verdachts einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers selbst ordentlich nur wirksam kündigen könne, wenn Tatsachen vorliegen würden, die auch eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Das gelte sowohl für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als auch für die Bewertung des Verhaltens, dessen der Arbeitnehmer verdächtig sei. Dieses müsse - wäre es erwiesen - geeignet sein, dem Arbeitgeber einen Grund zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu geben.
Arbeitsrechtlicher Rat ist im Zusammenhang mit Verdachtskündigungen daher immer angezeigt. Ggf. kann es auch sinnvoll sein, nur mit seinen Rechtsanwalt zu einer Anhörung zu gehen.
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Versetzung an einen anderen Arbeitsort: für den Arbeitgeber einfach möglich?
Immer wieder gibt es zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern Streit darüber, wo die Arbeit auszuführen ist, d.h. wo der Arbeitsort ist.
Selbst wenn der Arbeitnehmer davon ausgeht, dass er (nur) an einem bestimmten Arbeitsort arbeiten muss, können Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch anderswo einsetzen. Insbesondere ist die Rechtsprechung sehr zurückhaltend, was die „Konkretisierung“ eines Arbeitsortes angeht. Selbst wenn über Jahre immer an einem Ort gearbeitet wurde, führt dies nicht automatisch dazu, dass man nur noch dort arbeiten muss.
Aus neuerer Zeit weist ein Urteil des BAG dabei auf die besondere Problematik hin, dass der Arbeitgeber eine Versetzung zulässigerweise auch dann vornehmen kann, wenn in einem Arbeitsvertrag nur ein bestimmter Ort angegeben wurde, an dem die Arbeit zu beginnen hat.
Das BAG hat dazu mit Urteil vom 28.08.2013 (10 AZR 569/12) festgestellt, dass das Direktionsrecht im Hinblick auf die Bestimmung des Arbeitsorts gem. § 106 GewO nicht dadurch vertraglich eingeschränkt war, dass nur der Ort des Beginns der Arbeit festgelegt war. Grundsätzlich sei bei der Prüfung einer Versetzung zunächst festzustellen, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt oder Tätigkeitsort vertraglich festgelegt ist und welchen Inhalt ein gegebenenfalls vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat. Fehlt es an einer abschließenden Festlegung des Orts der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Siehe dazu die Ausführungen beim Stichwort „Weisungsrecht“.
Sofern man als Arbeitnehmer daher sicher sein will, nicht auch an einem anderen Arbeitsort tätig werden zu müssen, sollte man sich dies ausdrücklich im Arbeitsvertrag festschreiben lassen. Andernfalls und insbesondere wenn dazu nichts geregelt ist, gilt das umfassende Weisungsrecht des Arbeitgebers.
Zu beachten ist jedoch, dass bei einer Festschreibung eines ganz konkreten Arbeitsortes, ebenso wie bei der Festschreibung einer ganz konkreten Arbeitstätigkeit, es im Falle von betriebsbedingten Kündigungen für den Arbeitgeber deutlich einfacher sein kann, eine Kündigung zu begründen. Dies hängt damit zusammen, dass sowohl die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit als auch die soziale Auswahl von einer Beschränkung des Weisungsrechtes beeinflusst sein kann. Es sollte daher bei den Vertragsverhandlungen genau überlegt werden, ob die Vorteile der Festschreibung eines ganz bestimmten Arbeitsortes die etwaigen Nachteile der Festschreibung wirklich überwiegen. Holen Sie sich dazu gegebenenfalls fachanwaltschaftlichen Rat.
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Wartezeitkündigung: Wer wartet worauf?
Was versteht man unter einer Wartezeitkündigung?
Eine Wartezeitkündigung ist eine Kündigung, die während der sechsmonatigen Wartezeit für das Erreichen des Kündigungsschutzes nach dem KSchG erfolgt.
Ausgangspunkt ist § 1 KSchG. Danach ist eine Kündigung rechtsunwirksamen, wenn der Arbeitnehmer länger als sechs Monate in einem Arbeitsverhältnis zu dem Unternehmen – in dem regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt sind – gestanden hat, wenn die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt ist.
Maßgeblich für die Berechnung der Sechsmonatsfrist ist nicht, ob diese zum Ablauf der Kündigungsfrist bereits abgelaufen ist, sondern ob dies zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung der Fall war.
In der Praxis wird oft diese Wartezeit verwechselt mit einer gegebenenfalls zu vereinbarenden Probezeit. Die Probezeit, die nach dem Gesetz in der Regel längstens sechs Monate betragen kann, führt dabei nicht zu einer erleichterten Kündigung, sondern nur dazu, dass eine während der Probezeit ausgesprochene Kündigung mit einer deutlich kürzeren Frist ausgesprochen werden kann.
Für einen während der Wartezeit gekündigten Arbeitnehmer besteht das Problem, dass er unabhängig von der Betriebsgröße sich dann nicht auf das KSchG zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung berufen kann. Nichtsdestotrotz gibt es auch in solchen Fällen viele „Angriffspunkte“. So muss auch zu einer Kündigung während der Wartezeit der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört werden. Diese Betriebsratsanhörung hat jedoch deutlich niedrigere Anforderungen, als eine „normale“ Betriebsratsanhörung. So hat das BAG in einem Urteil vom 12.09.2013 (Az.: 6 AZR 121/12) dazu unter anderem festgestellt, dass den Anforderungen des § 102 BetrVG bei einer Kündigung in der Wartezeit, die auf ein subjektives Werturteil gestützt wird, Rechnung getragen sei, wenn dieses Werturteil dem Betriebsrat mitgeteilt wird.
Sofern nicht andere Sonderkündigungsschutzregelungen eingreifen, bleibt bei der Wartezeitkündigung dann nur noch zu überprüfen, ob diese nicht nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unwirksam ist, d.h. zum Beispiel willkürlich oder sittenwidrig ist oder gegen das Maßregelungsverbot (siehe dort) verstößt.
Da darüber hinaus auch bei der Wartezeitkündigung bestimmte Formalien (zum Beispiel Schriftform) zu beachten sind, sollte man auch jede Wartezeitkündigung von einem Arbeitsrechtler überprüfen lassen. Insbesondere ist auch insoweit die dreiwöchige Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nach dem KSchG zu beachten.
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Weihnachtsgeld und Stichtagsregelung: Wann bekomme und wann behalte ich mein Weihnachtsgeld?
Mit dieser Frage hat sich ganz aktuell das BAG befasst und hat dazu laut Pressemitteilung 69/13 in einem Urteil vom 13.11.2013 (Az.: 10 AZR 848/12) folgendes festgestellt:
Eine Sonderzahlung mit Mischcharakter, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden.
In vielen Betrieben gibt es in der Weihnachtszeit (November oder Dezember) sogenannte Sonderzahlungen, manchmal ausdrücklich als "Weihnachtsgeld" bezeichnet, manchmal auch als "13. Gehalt" oder allgemein als "Sonderzahlung" oder "Gratifikation".
Sowohl bei der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch besteht als auch bei der Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe etwas zurückzuzahlen ist, gibt es viele Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Streitig sind insoweit oft Stichtagsregelungen und Rückzahlungsklauseln.
In dem vom BAG entschiedenen Fall ging es um eine Stichtagsregelung. Der Sachverhalt war wie folgt. Der Arbeitnehmer erhielt jährlich mit dem Novembergehalt eine ab dem Jahr 2007 als Weihnachtsgratifikation bezeichnete Sonderzahlung in Höhe des jeweiligen Novemberentgelts. Der Arbeitgeber teilte jeweils im Herbst eines Jahres schriftlich allen Arbeitnehmern die "Richtlinien“ der Auszahlung mit. Danach hieß es ua., die Zahlung erfolge an die Arbeitnehmer, die sich am 31.12. des Jahres in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befänden. Für jeden Kalendermonat mit einer bezahlten Arbeitsleistung sollten die Arbeitnehmer 1/12 des Bruttomonatsgehalts erhalten. Im Lauf des Jahres eintretende Arbeitnehmer erhielten die Sonderzahlung nach den Richtlinien anteilig. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete aufgrund seiner Kündigung am 30. September eines Jahres. Mit seiner Klage hat er anteilige (9/12) Zahlung der Sonderleistung begehrt. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen.
Das BAG hat den Anspruch demgegenüber bejaht und darauf abgestellt, dass die Sonderzahlung nach den Richtlinien einerseits den Arbeitnehmer über das Jahresende hinaus an das Unternehmen binden und damit die Betriebstreue belohnen soll, aber zugleich auch der Vergütung der im Laufe des Jahres geleisteten Arbeit diene. In derartigen Fällen seien Stichtagsregelungen wie die in den Richtlinien vereinbarte nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Klausel benachteilige den Kläger unangemessen. Sie stehe im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB, weil sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn entziehe. Der Vergütungsanspruch sei nach den Richtlinien monatlich anteilig erworben worden. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Sonderzahlung Gegenleistung vornehmlich für Zeiten nach dem Ausscheiden des Klägers oder für besondere - vom Kläger nicht erbrachte - Arbeitsleistungen sein solle.
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Weisungsrecht: Was versteht man unter Weisungsrecht?
Soweit nicht durch Vertrag, Gesetz, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag anders geregelt, hat der Arbeitgeber hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsinhalt ein weitgehendes Weisungsrecht (Direktionsrecht). § 106 GewO bestimmt branchenunabhängig, dass der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann. Ob eine Weisung dem billigen Ermessen entspricht, ist sehr oft streitig. Insoweit ist eine neuere Entscheidung des BAG zu beachten, wonach der Arbeitnehmer an eine Weisung des Arbeitgebers, die nicht aus sonstigen Gründen unwirksam ist, vorläufig gebunden ist, bis durch ein rechtskräftiges Urteil gem. § 315 Absatz III 2 BGB die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung festgestellt wird (Urteil vom 22.02.2012 – 5 AZR 249/11). Hier bedarf es in jedem Einzelfall einer eingehenden Prüfung, ob der Weisung zu folgen ist oder eine Abmahnung oder Kündigung riskiert wird. Ggf. ist darüber nachzudenken, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Klarheit zu schaffen.
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Whistleblowing?: oder warum das "Verpfeifen" seines Arbeitgebers gefährlich sein kann.
Um es gleich vorweg zu nehmen. Dies ist keine Anleitung, geschweige denn Anregung an Arbeitnehmer, ihren Arbeitgeber zu verpfeifen. Es geht darum, was man als Arbeitnehmer beachten sollte, wenn man berechtigterweise auf Missstände im Unternehmen hinweisen und keine Kündigung riskieren möchte. Es geht an dieser Stelle auch nicht um die Frage, wann Arbeitnehmer sogar verpflichtet sein können, auf Missstände oder Fehlverhalten von Arbeitgebern oder Kollegen hinzuweisen.
Stellt man als Arbeitnehmer/in objektiv vorliegende Missstände im Unternehmen fest oder geht zumindest gutgläubig davon aus, dass Missstände vorliegen, verlangt die wohl herrschende Rechtsprechung, dass man zunächst gegenüber dem Arbeitgeber, das heißt intern versucht, diese Missstände beheben zu lassen.
Häufig geht es in Unternehmen um die Anordnung bzw. Duldung von Überstunden, auch in einem gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßendem Maße und auch Verstöße gegen den Datenschutz.
Zumindest die deutschen Arbeitsgerichte verhalten sich dabei nach wie vor sehr „humorlos“, d.h. verlangen in aller Regel vom Arbeitnehmer, dass dieser zunächst versucht, die Missstände intern aufzuklären und zu beheben. Dabei kann selbst verständlich auch ein vorhandener Betriebsrat eingeschaltet werden. Nur soweit man Meinungen äußert, kann man sich gegebenenfalls auch auf die Meinungsfreiheit berufen. Diese bezieht sich jedoch in aller Regel nur auf die Bewertung von bestimmten Umständen. Stellt man demgegenüber Umstände als wahr dar, obwohl diese gar nicht vorliegen, wird es auch kündigungsrechtlich gefährlich. Gleiche gilt nach der Rechtsprechung wohl auch dann, wenn eine Strafanzeige gegen den Arbeitgeber erstattet wird, ohne zuvor eine interne Klärung versucht zu haben. Das BAG stellt dazu auf eine vertragliche Rücksichtnahmepflicht ab, die nur ausnahmsweise und bei Unzumutbarkeit nicht greifen soll. Bisher scheint lediglich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eher auf das Grundrecht des Arbeitnehmers auf Meinungsfreiheit abzustellen. Aber auch dann muss es sich aber um eine „Meinung“ handeln und nicht um die Verbreitung von unzutreffenden Tatsachen als wahr. Anderenfalls droht auch eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Das BAG hat dazu in den Orientierungssätzen einer neueren Entscheidung vom 27.09.2012 (Az.: 2 AZR 646/11) folgendes festgestellt: „Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, sind an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über seinen Arbeitgeber und/oder Vorgesetzte bzw. Kollegen aufstellt, insbesondere wenn die Erklärungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen.“ (vgl. aus neuerer Zeit auch die Entscheidung des ArbG Berlin vom 02.09.2014 – Az.: 31 GA 11742/14 – im Bereich „Aktuelles“).
Darüber hinaus lässt sich der Rechtsprechung auch eine Tendenz entnehmen, dass die Arbeitsgerichte vom Arbeitnehmer verlangen, dass er nicht sofort mit „Kanonen auf Spatzen“ schießt, sondern gegebenenfalls auch abgestuft vorgeht. Wichtig sollte dabei auch immer sein, dass sich gegebenenfalls auch dokumentieren lässt, dass es dem Arbeitnehmer vorrangig um eine interne Aufklärung und Abstellung von Missständen geht, und nicht um irgendwelche „Pressearbeit“.
Jeder Arbeitnehmer ist daher gut beraten, sich gegebenenfalls arbeitsrechtlich beraten zu lassen, bevor er mit irgendwelchen Missständen an Behörden oder aber die Presse herantritt.
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Zeugnis: Was ist bei einem Arbeitszeugnis zu beachten?
Man unterscheidet grundsätzlich zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Zeugnis. § 109 GewO besagt, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber ein schriftliches Zeugnis über das Arbeitsverhältnis und dessen Dauer verlangen kann (einfaches Zeugnis). Auf Verlangen des Arbeitnehmers hat das Zeugnis auch Angaben zu Leistungen und Führung zu enthalten (qualifiziertes Zeugnis). Der konkrete Inhalt und die "Note" sind sehr oft Streitgegenstand. Auch einzelne Formulierungen sind zu überprüfen. Das LAG Mainz hat mit Urteil vom 2.7.2012 (5 Sa 186/12) u.a. festgestellt, dass „das dem Arbeitnehmer gem. § 109 Abs. 1 S. 3 GewO zu erteilende qualifizierte Zeugnis … für mögliche künftige Arbeitgeber Grundlage der Personalauswahl (ist). Der Inhalt des Zeugnisses muss deshalb wahr sein (Grundsatz der Zeugniswahrheit). Daneben darf das Zeugnis gem. § 109 Abs. 2 GewO keine unklaren Formulierungen enthalten, durch die der Arbeitnehmer anders beurteilt werden soll, als dies aus dem Zeugniswortlaut ersichtlich ist (Grundsatz der Zeugnisklarheit).
Das Arbeitszeugnis besteht neben der Gesamtbeurteilung aus einer Beschreibung einzelner Leistungen, die der Gesamtnote entsprechen müssen. Der Arbeitgeber entscheidet dabei zwar allein darüber, welche Leistungen er stärker hervorheben will als andere. Er muss aber alle berufsspezifischen Merkmale einbeziehen. Dies folgt aus § 109 Abs. 2 S. 2 GewO wonach es unzulässig ist, ein Zeugnis mit geheimen Merkmalen oder unklaren Formulierungen zu versehen, durch die ein Arbeitnehmer anders beurteilt werden soll, als dies aus dem Zeugniswortlaut für ihn ersichtlich ist. Ein Zeugnis darf dort keine Auslassungen enthalten, wo der verständige Leser eine positive Hervorhebung erwartet. Anspruch auf ausdrückliche Bescheinigung bestimmter Merkmale hat der Arbeitnehmer, wenn dies in seinem Berufskreis üblich ist und das Fehlen einer entsprechenden Aussage im Arbeitszeugnis sein berufliches Fortkommen behindern könnte. Sofern Merkmale in besonderem Maße gefragt sind und deshalb der allgemeine Brauch besteht, diese im Zeugnis zu erwähnen, kann die Nichtgewährung (beredetes Schweigen) ein erkennbarer Hinweis für den Zeugnisleser sein. Typisches Beispiel einer derartigen unzulässigen Auslassung ist die fehlende Bescheinigung der Ehrlichkeit bei einer Kassiererin. Gleiches gilt für alle anderen Arbeitnehmer, die mit Geld oder anderen Vermögenswerten umgehen wie z. B. Handlungsgehilfen, Kassierer, Laden- und Fahrverkäufer, Auslieferungsfahrer, Filialleiter, Außendienstmitarbeiter, Hotelpersonal, Hausgehilfinnen. Aus beiden Anforderungen zusammen ergibt sich, dass der Arbeitgeber zwar die Wahrheit schreiben darf und muss, dass er sie aber bei ungünstigen Aussagen in einer schonenden Form vorbringen muss.
Das ArbG Berlin hat mit Urteil vom 26.10.2012 (28 Ca 18230/11) folgende Leitsätze aufgestellt:
1. Will der Arbeitnehmer anstelle des unter Verwendung der sogenannten Notenskala als "befriedigend" erteilten Zeugnisses eine "gute" Gesamtbewertung erreichen, so obliegt es im Rechtsstreit dem Arbeitgeber diejenigen Tatsachen beizubringen, die dem entgegen stehen (sollen). (amtlicher Leitsatz)
2. Angesichts aktueller empirischer Erkenntnisse, wonach mittlerweile in 86,6 v. H. der erteilten Arbeitszeugnisse "gute" oder bessere Leistungen bescheinigt werden … , kann dem Arbeitnehmer nicht länger der Nachweis dafür auferlegt werden, er sei in die Gruppe der schwächsten 13,4 v. H. aller Beschäftigten zu Unrecht eingereiht worden. (amtlicher Leitsatz)Diese Entscheidung ist umstritten und entspricht jedenfalls derzeit (noch?) nicht der herrschenden Meinung. Es bleibt abzuwarten, ob auch andere Arbeitsgerichte so entscheiden werden. Zwischenzeitlich, nämlich mit Urteil vom 21.03.2013 hat das LAG Berlin-Brandenburg (Az.: 18 Sa 2133/12) die von dem Arbeitgeber eingelegte Berufung zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen stellt das LAG darauf ab, ob ein objektiv unbefangener Arbeitgeber mit Berufs- und Branchenkenntnissen die Leistungsbewertung „zu unserer vollen Zufriedenheit“ zur heutigen Zeit noch als durchschnittliche Leistungsbewertung ansieht bzw. ob diese Leistungsbeschreibung aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts noch der heutigen Üblichkeit einer durchschnittlichen Bewertung entspricht. Dies ist nach Ansicht des LAG unter Berücksichtigung von empirischen Untersuchungen nicht der Fall, so dass die Leistungsbewertung mit gut nicht mehr als überdurchschnittlich angesehen wird, denn eine solche ist zum Durchschnitt geworden. Daraus folgt nach Ansicht des LAG, dass die Darlegungs- und Beweislast für die seiner Beurteilungen mit befriedigend zugrunde liegenden Tatsachen dem Arbeitgeber als Schuldner des Zeugnisanspruches aufzuerlegen ist. Das BAG hat im Rahmen der eingelegten Revision (9 AZR 584/13) diese Entscheidungen kassiert und bleibt bei seinem "alten" Standpunkt. Man darf gespannt sein, wie die Untergerichte damit umgehen werden.
Das ArbG Kiel hat mit Urteil vom 18.04.2013 (5 Ca 80 b/13) bestätigt, dass ein Arbeitnehmer Anspruch auf ein Zeugnis ohne Geheimzeichen hat. Ein Smiley in der Unterschrift mit heruntergezogenem Mundwinkel enthalte eine negative Aussage des Arbeitgebers über den Arbeitnehmer, die der Arbeitnehmer nicht hinnehmen muss. Weiter hat das ArbG festgestellt, dass auch wahre Tatsachen, die für einen potenziellen Arbeitgeber nicht interessant sind, nicht dazu verwendet werden dürfen, den Arbeitnehmer negativ darzustellen (im entschiedenen Fall: Ergotherapeut ohne Berufsurkunde).
Falls Sie eine Änderung eines Zeugnisses durchsetzen wollen, sollten Sie damit nicht allzu lange warten. Das LAG Frankfurt hat in einem Urteil vom 16.01.2013 (Az.: 18 Sa 602/12) die Ansicht vertreten, dass ein Korrekuranspruch des Zeugnisses nach mehr als 2 Jahren verwirkt sein kann. Sie sollten sich daher im Streitfalle zeitnah durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten lassen, ob das Zeugnis in Ordnung ist oder wie ggf. dagegen vorgegangen werden kann.
Mit der Frage, ob der Arbeitnehmer das Zeugnis im Betrieb abholen muss oder einen Anspruch darauf hat, es zugeschickt zu erhalten, hat sich das LAG Berlin-Brandenburg befasst. Das LAG war dabei der Ansicht, dass ein Zeugnis am Ende des Arbeitsverhältnisses im Betrieb abzuholen ist, sofern nicht ausnahmsweise besondere Umstände dieses unzumutbar machen. Wer ohne Abholversuch ein Zeugnis einklage, habe deshalb in aller Regel die Kosten zu tragen (Entscheidung vom 06.02.2013, Az.: 10 Ta 31/13).
In einer interessanten neueren Entscheidung hat das LAG-Hessen (Urteil vom 17.02.2014, Az.: 16 SaGa 64/14) festgestellt, dass auch im Wege einer einstweiligen Verfügung eine Zeugnisberichtigung erreicht werden kann. Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitgeber entweder gar kein Zeugnis erstellt hat oder das erteilte Zeugnis als Grundlage für eine Bewerbung bereits beim ersten Hinsehen ausscheide. Dann liege auch der im einstweiligen Verfahren notwendige Verfügungsgrund vor.